EuGH kippt anlasslose Vorratsdatenspeicherung

EuGH kippt anlasslose Vorratsdatenspeicherung
Buschmann will deutsche Regelung streichen
Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland verstößt gegen EU-Recht. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs legen erste Reaktionen der Ampelkoalition nahe, dass keine Neuauflage kommt.

Luxemburg (epd). Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) hat die anlasslose Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt. Diese sei nicht mit Europarecht vereinbar, es sei denn, es liege eine ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit vor, entschieden die Richter am Dienstag in Luxemburg. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will die Regelung nun „zügig und endgültig“ aus dem Gesetz streichen, wie er auf Twitter ankündigte. Auch die Grünen begrüßten das Urteil.

Die Luxemburger Richter kippten mit ihrem lange erwarteten Urteil die deutsche Regelung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. Wegen des Rechtsstreits ist diese seit 2017 ausgesetzt. Das aktuelle deutsche Gesetz verstößt zwar in seiner bisherigen Form gegen EU-Recht. Ein eng gefasstes neues Gesetz wäre aber rechtlich möglich. So erklärten die Richter des EuGH, dass die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung schwerer Kriminalität „unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit insbesondere eine gezielte Vorratsspeicherung und oder umgehende Sicherung solcher Daten sowie eine allgemeine und unterschiedslose Speicherung von IP-Adressen vorsehen“ können.

Im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, dass die Ampel-Koalition das EuGH-Urteil abwartet. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, und der Rechtspolitiker Helge Limburg erklärten am Dienstag in Berlin, für eine wie auch immer geartete Neuauflage sehe man „weder rechtlichen noch politischen Spielraum“. „Die Vorratsdatenspeicherung gehört auf die Müllhalde der Geschichte“, erklärten die Grünen-Politiker.

Die Vorratsdatenspeicherung stelle alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht und habe die in sie gesetzten sicherheitspolitischen Erwartungen nie erfüllen können, erklärte von Notz und Limburg. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP habe sich in ihrem Koalitionsvertrag zudem „gemeinsam glasklar darauf verständigt, die Bevölkerung zukünftig nicht mehr anlasslos zu überwachen, sondern stattdessen Gefahren zielgerichtet abzuwehren und eine insgesamt grundrechtsorientierte und rechtsstaatlich ausgestaltete Sicherheitspolitik zu verfolgen“.

Die entscheidende Reaktion von Bundesinnenministerin Nancy Faeser stand zunächst noch aus, sie wollte sich gegen Mittag äußern. Sie hatte zuvor gesagt, dass eine begrenzte Vorratsspeicherung aus ihrer Sicht ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern im Internet sei. Dafür wäre das generelle Speichern der IP-Adressen wichtig. Grüne und FDP lehnen dies ab.

Auch aus der eigenen Partei kommt Gegenwind. Faesers Parteikollege Tiemo Wölken, Europaabgeordneter der SPD, schrieb am Dienstag auf Twitter, die Vorratsdatenspeicherung habe „in einem Rechtsstaat keinen Raum“.

Als Alternative steht das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren im Raum, bei dem Daten erst gesammelt (eingefroren) werden, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt. Die FDP schlägt dies seit Längerem vor. Sicherheitsbehörden sehen dagegen in der Vorratsdatenspeicherung ein wirksameres Mittel zur Verfolgung von Straftaten.