Berlin (epd). Die Klimabewegung „Fridays for Future“ fordert ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro im Bundeshaushalt, um den Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern zu beschleunigen. Die Summe könne durch eine Kombination aus Übergewinnsteuern und einer Lockerung der Schuldenbremse erreicht werden, sagte Sprecherin Luisa Neubauer am Dienstag in Berlin. Auch die etwa 65 Milliarden Euro an Subventionen für fossile Energieträger könnten dafür verwendet werden. Die Bewegung ruft zudem für den 23. September erneut zu einem globalen Klimastreik auf.
Die aktuelle Energiekrise offenbare, wie verletzlich die Gesellschaft bei der Energieversorgung sei, sagte Co-Sprecherin Annika Rittmann. Klima- und Energiekrise bedingten sich gegenseitig. „Die Angst vor den Nebenkostenabrechnungen ist eine direkte Konsequenz einer Politik, die sich zu lange geweigert hat, echte Energieunabhängigkeit auf Basis erneuerbarer Energien herzustellen“, sagte Neubauer.
Sie kritisierte, die aktuellen Entlastungspakete leisteten zwar konkrete und sofortige Hilfe, aber sie griffen zu kurz. Sie seien nicht zielgerichtet genug, um wirklich diejenigen zu entlasten, die es am meisten bräuchten. Und sie wirkten nicht zukunftsgerichtet. Sie enthielten nicht die dringend nötigen Maßnahmen, um die Gesellschaft auf einen Pfad hin zu Klimaneutralität, sozialem Ausgleich und der Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu bringen, sagte Neubauer.
Die Bundesregierung stehe in der Verantwortung, nicht nur auf Krisen zu reagieren, sondern diesen auch vorzubeugen: „Gebraucht wird eine langfristige und nachhaltige Sicherheit für Menschen, nicht nur kurzfristige Entlastungen zur Überbrückung.“ Mit dem Sondervermögen sollten laut der Klimabewegung eine „beispiellose Geschwindigkeitserhöhung der Energiewende“, ein Null-Euro-Ticket, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und eine Sanierungsoffensive finanziert werden. Ein Teil solle zudem als Klimafinanzierung an Länder des globalen Südens gehen.
Prominente Unterstützung erhält die Klimabewegung unter anderem vom Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Auch die Energieökonomin Claudia Kemfert und der Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, Volker Quaschning, bekräftigen deren Forderungen.
Angesicht der aktuellen Energiekrise sagte Fratzscher: „Wir realisieren jetzt, welche Fehler wir in den vergangenen 20 Jahren gemacht haben.“ Mit weniger Abhängigkeit vom russischen Gas und konsequentem Klimaschutz hätte die Krise nicht dieses Ausmaß. „Machen wir so weiter, riskieren wir, dass unser Wirtschaftssystem wegbricht“, sagte er.
Auch Volker Quaschning warnte: „Machen wir jetzt nicht massiv Klimaschutz, werden wir in ein paar Jahren einen massiven Wohlstandverlust erleben.“ 100 Milliarden Euro Sondervermögen seien dafür ein guter Ausgangspunkt, aber sicher werde noch einmal nachgesteuert werden müssen. Das sei zudem alles nichts im Vergleich zu den 1.500 Milliarden Euro, die Deutschland zwischen 1990 und 2022 für den Import von Gas, Öl und Kohle bezahlt habe.