Erzbischof Welby für "Grundgefühl des Genug"

Erzbischof Welby für "Grundgefühl des Genug"
08.09.2022
epd
epd-Gespräch: Stephan Cezanne

Karlsruhe (epd). Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, hat sich für ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaftssystem ausgesprochen. „Die Wirtschaft ist ein guter Diener und ein schlechter Herr“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande der am Donnerstag zu Ende gegangenen 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe.

Welby sprach sich für ein „Grundgefühl des Genug“ im Geschäftsleben aus. Der Überschuss, der über das „Genug“ hinausgehe, sollte zum Nutzen aller Menschen verteilt werden. Eine gerechte Verteilung der Güter müsse sowohl durch die Besteuerung des Staates geschehen, aber auch durch menschliche Großzügigkeit. Die Wirtschaft sei ein „Werkzeug:“ „Aber es muss ein Werkzeug sein, das einer gerechten und fairen Gesellschaft dient.“

Wenn alles in der Politik auf die Maximierung des wirtschaftlichen Vorteils ausgerichtet sei, bedeute das fast „zwangsläufig die Maximierung des wirtschaftlichen Vorteils für die Mächtigsten“, fügte Welby hinzu: „Man muss kein Marxist sein, was ich absolut nicht bin, um das zu erkennen.“

Der anglikanische Erzbischof warnte vor einer ungezügelten Wirtschaft. Diese müsse sich am Gemeinwohl ausrichten, an einer solidarischen Gesellschaft. Eine unkontrollierte oder in den Händen bestimmter Lobbys liegende Wirtschaft könne „entsetzliche Ergebnisse“ produzieren. Dagegen lobte Welby die soziale Marktwirtschaft in Deutschland in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Welby würdigte zudem die Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ von Papst Benedikt XVI. von 2009. Darin forderte Benedikt eine gerechtere Wirtschaftsordnung. Diese müsse den Menschen in den Mittelpunkt stellen und neben dem erforderlichen Profit auch auf die Einhaltung ethischer Prinzipien achten.

Welby verwies zudem auf sein Buch „Dethroning Mammon“ (Entthronung des Mammons) von 2017. Darin befasst er sich mit dem Thema Geld und Materialismus. Der Erzbischof erforscht darin die Spannungen, die in einer Gesellschaft entstehen, die von Wirtschaft und Finanzen beherrscht wird. Eine Vergötzung des Geldes hat auch Jesus im Blick, wenn er im Lukas-Evangelium sagt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

Als Erzbischof von Canterbury ist Welby das Oberhaupt der Kirche von England sowie der geistliche Leiter der 165 Länder umspannenden anglikanischen Kirchengemeinschaft. Die Residenz des Erzbischofs ist in London.