Habeck will zwei AKW bis April als Notreserve behalten

Habeck will zwei AKW bis April als Notreserve behalten
Ende dieses Jahres sollte der deutsche Atomausstieg endgültig vollzogen sein. Weil aber im Winter Stromengpässe drohen, sollen zwei der drei aktuell betriebenen Meiler noch einige Monate länger als Notreserve zur Verfügung stehen.

Berlin (epd). Wegen befürchteter Stromengpässe sollen zwei deutsche Atomkraftwerke auch über das Jahresende hinaus als Notreserve dienen. Das teilte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag bei der Vorstellung des Ergebnisses der von der Bundesregierung beauftragten Prüfung der Stromnetze in Berlin mit. Habeck sagte, dass die beiden Meiler Neckarwestheim-2 in Baden-Württemberg und Isar-2 in Bayern bis längstens April 2023 für Notfälle zur Verfügung stehen sollen. Er betonte zugleich, dass dies auch bedeute, dass die drei aktuell noch betriebenen AKW wie geplant zunächst Ende 2022 vom Netz gehen.

„Am Atomausstieg, wie er im Atomgesetz geregelt ist, halten wir fest“, erklärte Habeck. Neue Brennelemente würden nicht geladen. Spätestens Mitte April nächsten Jahres sei auch mit der Reserve Schluss. Eine periodische Sicherheitsüberprüfung könne in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden. Die Reserve-Meiler sollen nur „im Fall der Fälle“ zum Einsatz kommen. Dass es eine Hochrisikotechnologie sei, stelle niemand infrage, betonte der Minister. Er sprach aber angesichts der aktuellen Lage von einer vertretbaren wie notwendigen Entscheidung.

Der Stresstest der Netzbetreiber kommt zum Ergebnis, dass „stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem“ im bevorstehenden Winter zwar unwahrscheinlich seien, „aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können“. Unter bestimmten Umständen könnten sich Risiken bündeln.

Habecks Ministerium verweist auf den Ukraine-Krieg und die Klimakrise. So konnten wegen der Dürre im Sommer französische Atomkraftwerke aufgrund fehlenden Kühlwassers keinen Strom produzieren. Man könne nicht sicher darauf bauen, dass bei Netzengpässen in Nachbarländern genug Kraftwerke zur Verfügung stehen, die kurzfristig das deutsche Stromnetz mit stabilisieren, sagte der Minister.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nannte Habecks Vorschlag „vernünftig“. Für das Umweltministerium als Bundesatomaufsicht habe auch für den Fall eines befristeten Notbetriebs nach dem 31. Dezember 2022 die Gewährleistung der Sicherheit oberste Priorität.

In Deutschland ist neben den AKWs Neckarwestheim-2 und Isar-2 noch der Meiler Emsland in Niedersachsen in Betrieb. Das Atomkraftwerk Emsland soll wie geplant Ende des Jahres vom Netz gehen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte Habecks Schlussfolgerungen aus dem Stresstest „enttäuschend“. Damit ende die Laufzeit der Kernkraftwerke zum Jahresende, obwohl es keinen Stromersatz für zehn Millionen Haushalte gebe, erklärte er bei Twitter. Habeck nehme „das Risiko eines Blackouts und weitere Anstiege beim Strompreis in Kauf“.

Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, sieht dagegen mindestens eine Mitverantwortung für die Situation bei Söder. „Weil Markus Söder die Energiewende nicht nur verschlafen, sondern aktiv behindert hat, wird nun die ganze Republik mit der Hochrisikotechnologie Atomkraft in die Haftung genommen“, erklärte er.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte Habecks Entscheidung. Sie öffne die Tür „für eine noch gefährlichere Laufzeitverlängerung der veralteten und gefährlichen deutschen Atomreaktoren, die niemals kommen darf“, erklärte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erklärte: „Robert Habeck kündigt den gesellschaftlichen Konsens zum Atomausstieg auf, trotz aller Sicherheitsrisiken.“

Zwischen März und Mai hatte es bereits einen ersten Stresstest gegeben. Ergebnis des Tests war, dass die Stromversorgung auch unter diesen Bedingungen gesichert und ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke nicht zu empfehlen sei. Mitte Juli gab die Bundesregierung einen weiteren Belastungstest für das deutsche Stromnetz mit verschärften Annahmen in Auftrag.