Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) fordert einen schnellen weltweiten Wechsel von fossilen Brennstoffen hin zu grünen Energieträgern. Dieser Übergang müsse gerecht und so schnell wie möglich vollzogen werden, erklärte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Klimawandel des Weltkirchenrates, Joy Kennedy, am Donnerstag auf dem Ökumene-Gipfel in Karlsruhe.
Die Vollversammlung hat den Klimawandel als eine "reale und allgegenwärtige Gefahr" bezeichnet. Er betreffe alle Menschen, aber ganz besonders Junge und die Ungeborenen, sagte Joy Kennedy. Um zu überleben, sei es notwendig, dass wir alle gemeinsam partnerschaftlich zusammenarbeiten. Gelinge das nicht, wird es "vielleicht keine nächste Vollversammlung mehr geben". Die Covid-Pandemie habe gezeigt, dass Regierungen durchaus in der Lage seien, bei drängenden Problemen schnell zu handeln.
Sie Kanadierin forderte eine neue Klimatheologie. Die Menschen dürften sich nicht weiter die Natur untertan machen, sondern müssten sich "als Teil der Natur verstehen". Das Ziel, eine Klimaneutralität bis 2050 erreichen zu wollen, sei viel zu spät. Als beispielhaft nannte sie einige deutsche Kirchen, die dies schon bis 2030 erreichen wollten.
Die ÖRK-Vollversammlungen finden in der Regel alle acht Jahre auf verschiedenen Kontinenten statt. An diesem Freitag wollen Mitglieder von "Fridays for Future" am Rande des globalen Christen-Treffens für Klimagerechtigkeit demonstrieren. Auf der Vollversammlung wurde am Donnerstag der internationale Tag der Schöpfung gefeiert, der stets Anfang September von den Kirchen begangen wird. Auf dem Karlsruher Marktplatz fand der zentrale ökumenische Gottesdienst statt, zu dem die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) eingeladen hatte.
Bartholomäus I. ruft zu mehr Nachhaltigkeit auf
Nicht Corona, sondern der Klimawandel sei "immer noch die größte Bedrohung für unseren Planeten", sagte der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., in einer Videobotschaft. Er rief vor allem vermögende Länder zu einem nachhaltigen, maßvollen und bescheidenen Lebensstil auf.
Werde der Anstieg der globalen Temperatur nicht beschränkt, werde die Zahl der Toten infolge des Klimawandels alle durch Infektionskrankheiten hervorgerufenen Sterbefälle in den Schatten stellen, mahnte der "grüne Patriarch". Bartholomäus tritt seit Jahrzehnten für mehr Klimaschutz und mehr soziale Gerechtigkeit ein.
Julia Rensberg von der Minderheit der Samen in Schweden bezeichnete es als Widerspruch, angesichts der Klimakrise den Tag der Schöpfung zu feiern. Besonders kritisch sei der Temperaturanstieg in den arktischen Regionen. Die Rentiere verhungerten, weil ihre Nahrung sprichwörtlich verbrennt, die Wälder vertrocknen und die Gletscher schmelzen. Um die Klimakrise effektiv zu bearbeiten, müsse global zusammengearbeitet werden, forderte Rensberg als Delegierte der evangelisch-lutherischen Kirche Schwedens: "Wir brauchen unsere Mutter Erde."
"Rechte der Natur" für mehr Klimaschutz
Mit dem Klimawandel wird der Ruf nach einklagbaren "Rechten für die Natur" lauter. Der Ruf kommt vor allem aus dem globalen Süden. "Was würde es bedeuten, wenn nicht nur Menschen, sondern auch Vögel, Fische, Bäume oder Flüsse Rechtssubjekte würden?", war die Frage bei einem Workshop am Donnerstag bei der Vollversammlung des Weltkirchenrates in Karlsruhe.
Aus theologischer Sicht argumentierte der schwedische Theologe Michael Nausner mit der Schöpfungsverantwortung des Menschen. Es gehe darum, die symbiotische Beziehung zwischen der menschlichen und der nicht-menschlichen Schöpfung zu achten, sagte der evangelisch-methodistische Theologe. Die Bibelstelle (Genesis 1, Vers 28) "…füllet die Erde und macht sie euch untertan" sei vielfach missverstanden worden. Sie sei nämlich nicht als Aufforderung zum Raubbau zu verstehen, so Nausner. Er plädierte wie der US-amerikanische Umweltrechtsexperte Christopher D. Stone schon vor 50 Jahren dafür, eine Vormundschaft für die Natur einzuführen. Die Natur bekäme sodann eine "Stimme", die ihre Rechte verteidigen könnte.
An der Natur - und nicht ausschließlich am Menschen - orientiert ist das Weltverständnis der indigenen Bevölkerung beispielsweise Neuseelands. "Wir sind ein Volk, dessen Identität eng verbunden ist mit seiner Umwelt", erklärte der anglikanische Theologe Christopher Douglas-Huriwai aus Neuseeland. "Ich bin der Fluss, der Fluss ist ich", beschrieb er die Lebenswirklichkeit der Maori.
Zweifel an der Natur als Rechtssubjekt äußerte Felix Eckardt. "In einer pluralistischen Gesellschaft wie den westlichen Demokratien regelt das Rechtssystem die Freiheit des Individuums", sagte der Jurist und Gesellschaftswissenschaftler. Es sei immer der Mensch, der diese Regeln vorgebe.
Erstmals in der über 70-jährigen Geschichte des Weltkirchenrates tagt dessen höchstes Gremium in Deutschland. Der am Mittwoch eröffnete Ökumene-Gipfel berät bis zum 8. September. Daran nehmen rund 4.000 Gäste aus aller Welt teil.
Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von 352 Kirchen, die weltweit über 580 Millionen Christen vertreten. Die römisch-katholische Kirche ist nicht Mitglied, arbeitet jedoch bei einzelnen Programmen mit.