Steinmeier: Christen müssen Ukraine-Krieg ächten

Steinmeier: Christen müssen Ukraine-Krieg ächten
Vollversammlung des Weltkirchenrats in Karlsruhe eröffnet
Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt und Klima: Weltliche Themen stehen auf der 11. Vollversammlung des Weltkirchenrates in Karlsruhe im Zentrum. Bundespräsident Steinmeier richtet zum Auftakt deutliche Worte an die rund 4.000 Gäste aus über 120 Ländern.

Karlsruhe (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum Auftakt des Welt-Ökumene-Gipfels in Karlsruhe die russisch-orthodoxe Kirchenleitung in ungewöhnlich scharfer Form angegriffen. „Auf einen schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg führen zurzeit die Führer der Russisch-Orthodoxen Kirche ihre Gläubigen und ihre ganze Kirche“, sagte Steinmeier am Mittwoch unter großem Applaus auf der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), der mehr als 580 Millionen Christen vertritt.

Die russisch-orthodoxe Kirchenführung habe sich mit den „Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein gemacht“, erklärte Steinmeier. Sie rechtfertige „einen Angriffskrieg gegen die Ukraine - gegen ihre eigenen, gegen unsere eigenen Brüder und Schwestern im Glauben“, fügte er hinzu. Diese Propaganda müsse auf dem Ökumene-Gipfel in Karlsruhe auf Widerspruch stoßen, an dem sowohl Vertreter der russisch-orthodoxen als auch der ukrainischen Kirchen teilnehmen.

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), sagte, für ihn sei es „unfassbar“, dass sich der Moskauer Patriarch Kyrill vor „Putins Karren spannen“ lässt. Kyrill gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin und unterstützt Russlands Vorgehen in der Ukraine.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sagte mit Blick auf den Ukraine-Konflikt, „Christi Liebe“ dulde keinen Angriffskrieg. Die westfälische Präses erinnerte an die Unverletzlichkeit der menschlichen Würde, wie sie im deutschen Grundgesetz garantiert sei

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, rief zur Einheit auf: „Leider Gottes haben wir auch in der Kirche die Erfahrung gemacht, dass es von Anfang an Tendenzen gibt, sich zu spalten, eher Unterschiede zu betonen statt zu einen.“ Die ökumenische Bewegung dagegen sei das „Werk des Heiligen Geistes“, sagte Bätzing am Rande der Tagung.

Der geschäftsführende Generalsekretär des Weltkirchenrates, Ioan Sauca, wies Vorwürfe des Antisemitismus gegen den ÖRK zurück. Der Ökumenische Rat der Kirchen habe bereits bei seiner Gründung 1948 Antisemitismus als eine Sünde angeprangert, betonte Sauca in Karlsruhe. Zugleich stehe der ÖRK mit seinen 352 Mitgliedskirchen für gleiche Menschenrechte für Palästinenser ein. Ziel müsse eine auf das Völkerrecht gestützte Zweistaatenlösung im Nahen Osten sein.

Der Nahost-Konflikt ist ein Streitthema auf der Vollversammlung. Beobachter erwarten, dass Kirchen Südafrikas Israel zum Apartheid-Staat erklären wollen. Davor haben unter anderem kirchliche Antisemitismus-Beauftragte und christlich-jüdische Verbände wiederholt gewarnt. Der ÖRK steht seit Jahren in der Kritik, im Nahost-Konflikt einseitig Partei für die Palästinenser zu ergreifen.

Es sei vielleicht eine Zeit, in der wir die Vollversammlung „noch nie so dringend gebraucht haben, wie jetzt“, sagte EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber. Die badische Landesbischöfin Heike Springhart ergänzte, angesichts der schwierigen Weltlage gehe es darum, „ehrlich, offen und kontrovers zu diskutieren“ und den Gesprächsfaden zwischen unterschiedlichen Parteien zu erhalten.

Erstmals in der über 70-jährigen Geschichte des Weltkirchenrates tagt dessen höchstes Gremium in Deutschland. Der Ökumene-Gipfel geht am 8. September zu Ende. Zum 1948 gegründeten ÖRK zählen die Mehrzahl der orthodoxen Kirchen, zahlreiche anglikanische, baptistische, lutherische, methodistische und reformierte Kirchen sowie viele vereinigte und unabhängige Kirchen. Die katholische Kirche ist nicht Mitglied.