Trier (epd). Betroffene im Bistum Trier müssen nach Worten der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs“ einen einfacheren Zugang zu den Akten des Bistums bekommen. Ihnen müsse mit einem „transparenteren und wenig aufwendigen Verfahren“ Einsicht in die sie betreffenden Unterlagen gewährt werden, heißt es im am Donnerstag vorgestellten ersten Zwischenbericht der seit gut einem Jahr arbeitenden Kommission. Zudem müsse das Bistum regelmäßig Betroffene über den Stand der kirchlichen Ermittlungen informieren.
Ziel der Kommission ist es, die Fälle sexuellen Missbrauchs seit 1946 aus der Sicht verschiedener Fachdisziplinen zu durchleuchten. Dazu durchforstet sie die Akten und spricht mit Betroffenen, Beschuldigten sowie Bistumsmitarbeitern und Verantwortlichen. Ihre Arbeit ist auf sechs Jahre angelegt.
Nach Zahlen, die das Bistum bisher zusammengetragen hatte, wurden für den Zeitraum 1946 bis 2021 insgesamt 513 Betroffene namentlich oder anonym identifiziert. Davon sind den Angaben zufolge 162 Frauen und 311 Männer. Zu 40 der Betroffenen gibt es keine Angaben. Als Beschuldigte oder überführte Täter seien 193 Männer und zwei Frauen erfasst. Die Kommission erwartet, dass diese Zahlen im Zuge einer Studie noch steigen, die eine auf ihre Initiative hin eingerichtete Stiftung bei der Uni Trier in Auftrag gegeben hat.
In dem Zwischenbericht werden exemplarisch Fälle zweier Kleriker dokumentiert. Diese zeigten nochmals deutlich, wie die Bistumsleitung Fälle sexuellen Missbrauchs intern zu regeln und vor der Öffentlichkeit und den Strafverfolgungsbehörden zu verbergen suchte, hieß es. Sie zeigten auch, dass das Bistum Trier als Teil einer Weltkirche zu verstehen sei, in der „bis in die jüngste Vergangenheit Vertuschung sexuellen Missbrauchs an der Tagesordnung war“. Die Täter waren in den 50er, 60er und 70er Jahren in Deutschland, Österreich sowie in Spanien und Südamerika als Geistliche tätig.
Die Kommission betonte ihre Unabhängigkeit. Es sei aber ersichtlich, dass Betroffene und Teile der Öffentlichkeit eine unabhängige Arbeit anzweifelten. Das liege auch daran, dass die Kommissions-Mitglieder durch den Ortsbischof berufen werden. Den Zweifel an der Unabhängigkeit werte die Kommission als Beleg für den allgemeinen Verlust an Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche, hieß es. Daher müsse erwogen werden, ob die Beauftrage der Bundesregierung gegen sexuellen Kindesmissbrauch in die Berufung der Kommission einbezogen werde.
Der Vorsitzende, der frühere rheinland-pfälzische Justizminister Gerhard Robbers (SPD), betonte, die Kommission werde keinen Namen eines Betroffenen gegen dessen Willen veröffentlichen. Mit der Betroffenenorganisation MissBit seien mehrere ausführliche - teils sehr kontrovers verlaufene - Gespräche geführt worden, heißt es in dem Zwischenbericht. Die Kommission sei darum bemüht, die Zusammenarbeit noch zu intensivieren.
Bis Mitte Oktober will das Gremium eine Studie über das Missbrauchsgeschehen in der Ära des Trierer Bischofs Bernhard Stein (1967-1980) vorlegen. Unklar sei noch das weitere Vorgehen der Kommission, sagte der Historiker Raphael. Nach der Ära Stein sollte seiner Ansicht nach weitere Perioden untersucht werde, sagte der Historiker.