Bielefeld, Bonn (epd). Die atomkraftkritische Ärzte-Organisation IPPNW und Umweltgruppen fordern von europäischen Uran-Lieferstaaten ein diplomatisches Eingreifen in die Kämpfe am Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine. Mit jedem Tag, den die Kämpfe andauerten, steige die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer nuklearen Katastrophe komme, warnte die IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen am Dienstag in Bielefeld. „Die Gefahr ist real.“ Die vier Regierungen in Berlin, Den Haag, London und Stockholm sollten deshalb zusammen mit den Vereinten Nationen die Kriegsparteien in der Ukraine an einen Tisch holen, um insbesondere um das AKW Saporischschja eine entmilitarisierte Schutzzone unter internationaler Aufsicht einzurichten.
Deutschland, die Niederlande, Großbritannien und Schweden seien seit einigen Jahren für die Uran- und Brennelementlieferungen an die heute heftig umkämpften ukrainischen AKWs zuständig, sagte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Wider besseren Wissens hätten sie den Weiterbetrieb des maroden Atomkraftwerks Saporischschja ermöglicht, anstatt der Ukraine beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu helfen, kritisierte er. Damit trügen sie auch mit Verantwortung für den Standort.
Vier der sechs Reaktorblöcke in Saporischschja laufen den Angaben zufolge seit 2016 mit angereichertem Uran des deutsch-niederländisch-britischen Urananreicherers Urenco. Urenco betreibt im nordrhein-westfälischen Gronau nahe der niederländischen Grenze eine Urananreicherungsanlage. Die Ärztebewegung IPPNW und die Anti-Atomkraft-Initiativen verweisen auf Angaben des Bundesumweltministeriums, wonach zuletzt im Februar eine Exportgenehmigung an die schwedische Brennelementefabrik Västeras erteilt und zuletzt Anfang Juni angereichertes Uran nach Schweden geliefert wurde. In Västeras wird das Uran in Brennelementen verarbeitet und dann in die Ukraine exportiert.
Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) habe schon 2016 diesen „Uran-Deal“ scharf kritisiert, weil Saporischschja sehr nahe der bereits damals umkämpften Region im Donbass liege, hieß es. Auch zwei Blöcke des AKW Süd-Ukraine würden von Urenco beliefert, dessen Standort sich unweit der Kampfzone bei Cherson und Mikolajew befinde, erklärte die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW).