Hannover (epd). Ein Bild ging um die Welt: Es zeigt einen Vater, der im ukrainischen Charkiw neben der Leiche seines 13-jährigen Sohnes sitzt und seine Hand hält. Der Junge wurde am 20. Juli durch einen russischen Raketenangriff getötet. Dies sei ein „starkes Symbolbild“ für den Krieg in der Ukraine und den Angriff der russischen Armee, sagte der hannoversche Professor für Fotojournalismus, Lars Bauernschmitt, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Ich glaube, es wird auch noch sehr lange in Erinnerung bleiben.“
Bei derartigen Bildern stelle sich immer wieder die Frage, ob ein Foto das Grauen des Krieges überhaupt transportieren könne, sagte Bauernschmitt, der an der Hochschule Hannover lehrt. Es existierten „Massen von Bildern“, die nie gedruckt würden, weil sie kaum auszuhalten seien: „Wir können den Krieg in seiner ganzen Brutalität und in seiner ganzen Schrecklichkeit nur in ein Bild setzen, das wir bereit sind, uns anzuschauen.“
Die Szene an einem Busbahnhof hätten mindestens drei Fotografen festgehalten. Dabei seien sie um den Vater herumgelaufen. Bei derartigen Bildern stelle sich auch die Frage nach der journalistischen Ethik. Er wolle nicht urteilen, was Journalisten dürften oder nicht, sagte Bauernschmitt. „Wichtig ist nur, dass Journalisten sich Gedanken darüber machen, was sie tun und dafür auch die Verantwortung übernehmen.“
Die Aufgabe von Journalisten sei es, zu berichten, betonte Bauernschmitt. „Das können sie nur, wenn sie dabei auch Grenzen überschreiten.“ Aus diesem Dilemma kämen die Fotografen nicht heraus und müssten für sich bewusst klären, wie sie damit umgingen.
In der Ukraine seien verhältnismäßig viele professionelle Berichterstatter unterwegs, sagte Bauernschmitt. Dabei falle auf, dass viele Fotografien über hohe technische Qualität verfügten und klassische Bildmuster bedient würden. Am Anfang des Krieges seien viele Fotos von geflüchteten Frauen mit ihren Kindern entstanden oder von zumeist älteren Frauen, die verängstigt auf menschenleeren Straßen unterwegs waren. „Das sind Muster, die sich wiederholen“, sagte der Fotojournalismus-Professor.
Bildjournalisten, die immer wieder in anderen Weltregionen arbeiteten, seien in der Regel nicht unbedingt mit den Details der jeweiligen politischen oder sozialen Situation und ihrer historischen Entwicklungen vertraut. Nur selten sprächen sie die dortige Landessprache. Entsprechend könnten sie Aufträge oft nur unter formalen Gesichtspunkten bearbeiten.