Mainz (epd). Die Verbandsgemeinde Altenahr hat während der Flutkatastrophe im Ahrtal schon frühzeitig darum gebeten, den Katastrophenalarm auszulösen. Die Kreisverwaltung habe das zunächst unter Verweis auf noch zu überprüfende Daten abgelehnt, berichtete die damalige Verbandsbürgermeisterin und heutige Landrätin des Kreises Ahrweiler, Cornelia Weigand (parteilos), am Freitag im Ahrtal-Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags. In einer mehrstündigen Befragung schilderte sie ihre Erlebnisse während der dramatischen Ereignisse. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal Mitte Juli 2021 verloren 134 Menschen ihr Leben.
Laut Weigand war bereits am Nachmittag des 14. Juli klar, dass der Pegel den Wert des extremen Hochwassers von 2016 deutlich übertreffen würde. Die Feuerwehr habe die örtlichen Warnpläne umgesetzt. Das Wasser sei dann aber mit einem unvorstellbaren Tempo um bis zu zwei Meter innerhalb einer Stunde angestiegen. „Die Geschwindigkeit und die Dramatik sind, wenn man es nicht miterlebt hat, außerhalb jeder Fantasie“, sagte die Kommunalpolitikerin.
Weigand berichtete auch von einem „markanten Anruf“ eines Abteilungsleiters aus dem für Hochwasserschutz zuständigen Landesamt für Umwelt. Der habe sie noch am frühen Abend darüber informieren wollen, dass die Hauptniederschläge wohl gar nicht im Einzugsgebiet der Ahr fallen würden. Aufgrund der tatsächlichen Ereignisse sei ihr klar gewesen, dass diese Entwarnung nicht zutreffen konnte. Bald darauf wurde der Pegel in Altenahr von den Wassermassen zerstört.
Bis zum Zusammenbruch von Stromversorgung, Telefonleitungen und Mobilfunkverbindungen hätten sie dann immer mehr Hilferufe von Betroffenen erreicht, sagte Weigand. Teilweise hätten sich Menschen von Hausdächern oder Bäumen aus gemeldet. Bei den Telefonaten hätten alle Menschen ständig brüllen müssen, weil die Verbindung schon so schlecht gewesen und vom Tosen des angeschwollenen Flusses übertönt worden sei.
„Nicht nur die Bevölkerung, sondern auch wir haben unterschätzt, wie schnell das Wasser kommt“, erklärte der Wehrleiter der Verbandsgemeinde Altenahr, Frank Linnarz. Er betonte, auch eine größere Anzahl von Helfern hätte in der Flutnacht nicht helfen können, mehr Menschenleben zu retten. Die Feuerwehr habe in dem reißenden Strom mit viel gefährlichem Treibgut viele vom Wasser eingeschlossene Menschen auch mit Booten nicht mehr erreichen können. Allenfalls Rettungshubschrauber hätten in dieser Situation noch helfen können, die aber in der Dunkelheit bei Starkregen keine Starterlaubnis mehr bekommen hätten.
„Als Bürgermeisterin die Botschaft zu haben, es gibt keine Hubschrauber - das war eine spezielle Situation“, erinnerte sich Weigand. Als auch das Rathaus der Verbandsgemeinde voll Wasser lief, habe sie sich schließlich an den örtlichen Pfarrer gewandt. Sie sei zwar Atheistin, aber er möge für die Menschen beten, sei ihre Bitte gewesen.
Mit dem tagsüber nicht erreichbaren damaligen Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), konnte Weigand eigenen Angaben nach erst spät in der Flutnacht Kontakt aufnehmen. Pföhler habe erregt gewirkt und berichtet, dass auch sein eigenes Haus überschwemmt worden sei. Sie habe den Landrat irgendwann unterbrochen, um die katastrophale Situation in ihrer Gemeinde zu schildern.
Bereits zu Beginn der Sitzung hatten die Ausschuss-Mitglieder im nichtöffentlichen Teil entschieden, dass Pföhler und seine Ehefrau am 8. Juli wie geplant in Mainz erscheinen müssen. Anträge des Paares, das wieder von der Zeugenliste gestrichen werden wollte, wurden abgelehnt. Wie in einem Gerichtsprozess stehe es dem ehemaligen Politiker frei, die Aussage zu verweigern, um sich nicht selbst zu belasten, sagte der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD). Gleiches gelte auch für enge Angehörige.
Gegen Pföhler ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen. Haller kündigte an, dass der Untersuchungsausschuss noch mindestens bis zu den Herbstferien weitere Termine ansetzen werde.