Berlin (epd). Das Recht auf Selbstverteidigung hat nach Ansicht des Theologen Friedemann Stengel auch für die christliche Friedensethik eine hohe Bedeutung. „Wir können andere nicht zur Waffenlosigkeit zwingen. Auch, wenn wir sie selbst praktizieren. Das Recht auf Selbstverteidigung muss bestehen bleiben“, sagte der Professor für Neuere Kirchengeschichte an der Universität Halle-Wittenberg mit Blick auf den Krieg in der Ukraine auf einer Tagung zu Friedenspolitik und Friedenstheologie der SPD-Fraktion am Freitag in Berlin.
Auch müsse das Recht auf Kapitulation und Waffendienstverweigerung in Anspruch genommen werden können. „Aber die Aufforderung an andere, zu kapitulieren oder den Widerstand aufzugeben, vermag ich nicht aus der christlichen Ethik abzuleiten“, sagte Stengel.
Von Angegriffenen und lebensbedrohten Menschen und Staaten könne nicht verlangt werden, dass sie auf Selbstverteidigung verzichteten und sich im schlimmsten Fall töten ließen, sagte Stengel. Die Entscheidung, auf Nothilfe zu verzichten, sei eine politische Entscheidung, jedoch keine auf Grundlage christlicher Ethik.
Auch sei es wichtig, in dem Konflikt eine Stellung einzunehmen, so der Theologe: „Angesichts dessen, bei jeder Handlungsoption Schuld auf sich zu laden, aber auch mit dem Hinweis, dass der deutsche Beitrag ohnehin nicht besonders relevant ist für das Geschehen, müssen wir dennoch eine Position beziehen.“ Des Weiteren müsse die Rede von einem gerechten Krieg unterbleiben, da dies angesichts der Opfer von Zivilisten und Wehrpflichtigen durch nichts zu rechtfertigen sei.
Stengel wurde in Eisenach geboren und hat bis 1992 evangelische Theologie in Halle studiert. Nach seiner Habilitation in Heidelberg wurde er 2018 zum Professor für Neuere Kirchengeschichte in Halle ernannt.