Potsdam (epd). Mit einem Gedenkgottesdienst ist am Donnerstag in Potsdam an die vier vor einem Jahr in einem Pflegewohnheim ermordeten Menschen erinnert worden. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach dabei vor der Oberlinkirche den Angehörigen erneut sein Beileid aus. Darüber hinaus forderte er zu mehr gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit besonderen Bedürfnissen und zum Kampf gegen jede Form von Diskriminierung auf.
Die Gesellschaft müsse nach einem solchen Verbrechen nach Ursachen fragen und die Umstände aufklären, die eine derartige Straftat begünstigt haben können. „Die Aufarbeitung fand und findet auf allen Ebenen statt“, versicherte Woidke. Sein Dank gelte allen Verantwortlichen und Mitarbeitenden des Oberlinhauses, die trotz Trauer und Entsetzen von Anfang an vorbildlich mitgeholfen hätten, das Verbrechen zu verarbeiten.
Am 28. April 2021 hatte die Pflegerin Ines R. vier Menschen mit Behinderung getötet und eine weitere Person schwer verletzt. Im Dezember wurde sie zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt und wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung in die Psychiatrie eingewiesen.
Der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) betonte bei dem Gottesdienst, die Tat sei „für jeden einzelnen von uns ein Angriff auf unser Selbstverständnis“. Dabei sei das Vertrauen darauf zerstört worden, „dass die Verletzlichsten unserer Gemeinschaft sich auf uns verlassen können“.
Das verlorene Vertrauen müsse wieder aufgebaut werden, sagte Schubert. Zugleich rief er dazu auf, denjenigen, die täglich in der Einrichtung arbeiten, Hochachtung entgegenzubringen.
„Wir trauern, wir sind verzweifelt und wir hoffen“, wiederholte der theologische Vorstand des Oberlinhauses, Matthias Fichtmüller, bei dem Gedenkgottesdienst seine eigenen Worte von vor einem Jahr. Es habe viele Gesten der Anteilnahme nicht nur aus der Region gegeben, Menschen aus aller Welt hätten Anteil genommen. Dabei habe er gelernt, „dass gemeinsames Trauern trösten kann“.
Der Berliner Menschenrechts- und Inklusionsaktivist Raul Krauthausen kritisierte zum ersten Jahrestag der Morde im Oberlinhaus derartige vollstationäre Einrichtungen. „Diese Form der Wohneinrichtungen begünstigt Gewalt. Menschen müssen dort auf engem Raum zusammenleben, es gelangen keine Informationen von drinnen nach draußen“, sagte Krauthausen der in Berlin erscheinenden „tageszeitung“. Die Morde im Oberlinhaus würden oft als Einzelfall dargestellt, doch das sei falsch.