Die Regierungspläne zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffs sind nun auch vom Bundestag legitimiert. Bei einer namentlichen Abstimmung im Parlament stimmten am Donnerstag in Berlin 586 Abgeordnete von SPD, Grünen, FDP und Union für einen Antrag mit dem Titel "Frieden und Freiheit in Europa verteidigen - Umfassende Unterstützung für die Ukraine". 100 Parlamentarier stimmten dagegen, sieben enthielten sich. Heftige Kritik gab es an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der wegen einer Japan-Reise nicht anwesend war.
Die Bundesregierung hatte diese Woche nach langem Ringen innerhalb der Koalition entschieden, die Ausfuhr von Gepard-Panzern an die Ukraine zu erlauben. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) legte bei seiner Rede den Finger in die Wunde und warf Scholz "Unsicherheit und Schwäche" vor. Der Kanzler habe über Wochen, hingehalten, offen gelassen, ausweichend geantwortet. "Das ist nicht Besonnenheit", fügte Merz hinzu, "das ist Zögern, das ist Zaudern und das ist Ängstlichkeit".
Die vor einer Woche in einem "Spiegel"-Interview geäußerte Befürchtung des Kanzlers, dass es zu einem Atomkrieg kommen könnte, nannte Merz "unverantwortlich". Er lasse damit den Schluss zu, dass alle Länder, die mehr für die Ukraine getan hätten als Deutschland, die Kriegsgefahr erhöhten. Dies sei eine "groteske Umkehrung von Ursache und Verantwortung für diesen Krieg", so der Oppositionsführer.
Scholz hatte sich trotz zunehmender Forderungen auch aus der eigenen Ampel-Koalition zur Lieferung von Panzern und anderer schwerer Waffen lange Zeit nicht klar geäußert und zuletzt noch vor der Gefahr eines dritten Weltkrieges mit der Nuklearmacht Russland gewarnt.
Mit dem nun beschlossenen zehnseitigen Antrag stellt sich das Parlament auch hinter den sogenannten Ringtausch, über den insbesondere Waffen sowjetischer oder russischer Bauart an die Ukraine geliefert werden aus Ländern, in denen Deutschland dann wieder Rüstungslücken füllt. Der Verlauf des Krieges zwinge "zur Anpassung der Unterstützung der Ukraine", heißt es. Deshalb ermögliche Deutschland in Abstimmung mit anderen NATO-Partnern die Lieferungen schwerer Waffen.
Noch einmal verurteilt wird der am 24. Februar begonnene russische Angriff auf die Ukraine. Der Bundestag fordert die Regierung auf, die militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung fortzusetzen. Zudem wird eine gute Versorgung der Kriegsflüchtlinge und eine Unterstützung der Evakuierung von Holocaust-Überlebenden aus der Ukraine gefordert.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil verteidigte die Entscheidung seiner Partei, nun doch auch schwere Waffen zu liefern. "Diese Bundesregierung hat mit einem Prinzip gebrochen, das seit Jahrzehnten in Deutschland galt", sagte er mit Verweis auf die Entscheidung, in das Konfliktgebiet in der Ukraine Waffen zu liefern. Dabei sei die Regierung "jeden Tag einen Schritt weiter gegangen" in der Qualität und Quantität. "Aber wir hatten auch hier Prinzipien und in dieser Kontinuität stehen auch die Entscheidungen der letzten Tage." Dazu gehöre, sich mit internationalen Partnern abzustimmen, nicht die eigene Landes- und Bündnisverteidigung zu gefährden "und wir haben gesagt, dass wir selbst nicht zur Kriegspartei werden".
Heftige Kritik am Vorgehen der Regierung kam von der Linken und von der AfD. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch äußerte Unverständnis über die "Kehrtwende" des Kanzlers. Er sagte, es gebe einen "fatalen Wettlauf: höher, schneller weiter, wer liefert die schwersten Waffen". Viel zu wenig werde über diplomatische Initiativen geredet.
AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla sagte, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung wolle nicht an diesem Krieg beteiligt werden. Der aktuelle Beschluss drohe, den Krieg zu verlängern und könne Deutschland zur Kriegspartei mit einer Atommacht machen.