Genf (epd). Es ist ein eindringlicher Appell: Der Weltklimarat hat die Staaten zu einem entschlossenen Kurswechsel beim Energieverbrauch aufgerufen. Ohne eine sofortige und starke Verringerung des Ausstoßes der klimaschädlichen Treibhausgase sei die nötige Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius nicht zu schaffen, erklärte der Vorsitzende des Rates, Hoesung Lee, am Montag in Genf bei der Veröffentlichung eines neuen Berichts.
Die Welt müsse die Nutzung von Öl und anderen fossilen Brennstoffen stark drosseln, die Elektrifizierung vorantreiben, Wasserkraft und andere alternative Möglichkeiten der Stromgewinnung ausbauen und wesentlich energieeffizienter wirtschaften. Der neue Report beleuchtet die Möglichkeiten der Minderung des Klimawandels. Die Klima-Allianz Deutschland rief die Bundesregierung und die übrigen G7-Staaten zum Handeln auf.
„Die Staaten, allen voran die Industrieländer, müssen ihre Treibhausgasemissionen sofort drastisch senken, eine global gerechte Energiewende vorantreiben und den Schutz von Ökosystemen gewährleisten“, erklärte Christiane Averbeck, Geschäftsführende Vorständin der Klima-Allianz. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine zeige, dass ein solcher Abschied auch die Abhängigkeit von autoritären Regimen verringert.
Dem Weltklimarat zufolge kann mit einer klimafreundlichen Politik, einer geänderten Infrastruktur, neuen Technologien, Änderungen der Lebensweise und Verhaltensanpassungen der Ausstoß der Treibhausgase bis 2050 um 40 bis 70 Prozent gesenkt werden. Bis 2030 könne die Welt die Emissionen zumindest halbieren.
Die Menschheit sei an einer entscheidenden Weggabelung angekommen, sagte Hoesung Lee. Die Entscheidungen von heute würden über eine lebenswerte Zukunft entscheiden. Laut dem Weltklimarat erreichten die durchschnittlichen Emissionsmengen der Treibhausgase von 2010 bis 2019 einen historischen Höchststand.
Der Vorsitzende des Gremiums sagte, er sei ermutigt über die Klimapolitik in vielen Ländern. Seit 2010 seien die Kosten für Sonnen- und Windenergie sowie für Batterien um bis zu 85 Prozent gesunken. Die Werkzeuge gegen den Klimawandel seien vorhanden. Städte und urbane Ballungsräume könnten in besonderer Weise zu einer klimafreundlichen Zukunft beitragen, etwa durch die Errichtung von Fußgängerzonen.
Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, müssten die Treibhausgasemissionen spätestens 2025 ihren Höchststand erreichen. Bis 2030 müsste der Ausstoß um 43 Prozent reduziert werden. Die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens einigten sich 2015 auf das 1,5-Grad-Ziel. Durch die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter sollen die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels gemindert werden.
Die Klimaaktivisten von „Fridays for Future“ verlangten von Deutschland, endlich seiner internationalen Verantwortung nachzukommen. Die Bundesregierung müsse sich festlegen, mindestens 14 Milliarden Euro jährlich für internationale Klimafinanzierung zu geben und die Ratifizierung klima- und umweltschädlicher Handelsverträge abzulehnen.
Der dritte Teil des sechsten Sachstandsberichts sollte bereits im Juli 2021 veröffentlicht werden, die Publikation wurde wegen der Corona-Pandemie aber verschoben. Laut IPCC beteiligten sich Hunderte Autoren an der Erstellung des Reports, der die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Minderung des Klimawandels zusammenfasst.
Die Wissenschaftler des Weltklimarates arbeiten unter dem Dach der Vereinten Nationen, ihre Sachstandsberichte sollen als Grundlage für politische Entscheidungen und internationale Klimaverhandlungen dienen. Die Klima-Allianz Deutschland umfasst nach eigenen Angaben mehr als 140 Mitgliedsorganisationen.