Vom ersten Missbrauchsgutachten bis zu Woelkis Rücktrittsgesuch

Vom ersten Missbrauchsgutachten bis zu Woelkis Rücktrittsgesuch

Köln (epd). Die Rückkehr von Kardinal Rainer Maria Woelki als Erzbischof von Köln am Aschermittwoch ist die jüngste Entwicklung im Konflikt um den Umgang des 65-Jährigen mit dem Missbrauchsskandal im größten deutschen Bistum. Eine Chronologie der Ereignisse:

  • 22. September 2018: Woelki kündigt eine Untersuchung zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Missbrauchsfällen durch Kirchenleute im Erzbistum Köln an - wenige Tage bevor die Deutsche Bischofskonferenz die bundesweite MHG-Studie zu sexuellem Missbrauch vorstellt.
  • Dezember 2018: Das Erzbistum Köln beauftragt die Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) mit der Untersuchung.
  • 12. März 2020: Eine für diesen Tag angekündigte Pressekonferenz mit Vorstellung des Münchener Gutachtens wird zwei Tage vorher abgesagt. Das Gutachten werde wegen äußerungsrechtlicher Bedenken geprüft.
  • 29./30. Oktober 2020: Kardinal Woelki und Generalvikar Markus Hofmann beraten mit dem Betroffenenbeirat über den Fortgang der Untersuchung. Im Anschluss verkündet das Erzbistum, es werde das Münchener Gutachten grundsätzlich nicht veröffentlichen. Mit einem neuen Gutachten wird die Kölner Kanzlei Gercke und Wollschläger beauftragt.
  • November 2020: Ein Teil des Betroffenenbeirats zieht sich zurück: Statt ursprünglich aus neun Mitgliedern besteht der Beirat zeitweise nur noch aus fünf. Neben Kontroversen innerhalb des Beirats geht es auch um Vorwürfe intransparenter Kommunikation der Bistumsleitung.
  • 5. Januar 2021: Das Erzbistum will ausgewählten Medienvertretern Einblicke in das Gutachten von Westpfahl Spilker Wastl gewähren. Die Journalisten weigern sich jedoch, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Der Termin findet nicht statt.
  • Januar 2021: Die Kritik an Woelkis Umgang mit dem WSW-Gutachten und mit Kritikern aus den eigenen Reihen wird lauter. Pfarrer, Laien und katholische Kirchengemeinden äußern sich kritisch zu einzelnen Äußerungen Woelkis und zum gesamten Verfahren. Gegen das Erzbistum wird auch der Vorwurf der Vertuschung erhoben.
  • 30. Januar bis 1. Februar 2021: Erste Versammlung des Reformprozesses Synodaler Weg, der die katholische Kirche nach dem Missbrauchsskandal aus der Krise führen soll. Woelki gehört von Beginn an zu den Skeptikern und sagt schon vor Beginn, er fühle sich nicht an mögliche Beschlüsse der Synodalversammlung gebunden.
  • 1. Februar 2021: Mit Robert Kleine, Stadtdechant und Domdechant, geht ein Mitglied der Kirchenleitung auf Distanz zu Woelki: Kleine zeigt Verständnis für die breite Kritik am Kardinal und für die wachsende Zahl von Kirchenaustritten.
  • 18. März 2021: Veröffentlichung des Gutachtens von Gercke und Wollschläger. Es belastet mehrere Bischöfe schwer. Die Gutachter stellen jedoch keine Pflichtverletzungen Woelkis fest. Dieser suspendiert Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher, der ebenfalls durch das Gutachten belastet wird.
  • 19. März 2021: Woelki kündigt die Berufung einer unabhängigen Kommission zur weiteren Aufklärung der Fälle sexualisierter Gewalt in seinem Erzbistum an. Außerdem beurlaubt er auch Weihbischof Angsar Puff auf dessen Wunsch.
  • 23. März 2021: Das Erzbistum informiert über erste Ergebnisse und Konsequenzen aus dem Gutachten Gercke und Wollschläger. Woelki räumt Versäumnisse ein, schließt einen Rücktritt aber aus. Das Reformbündnis „Wir sind Kirche“ und der Diözesanrat, die Laienvertretung im Bistum, fordern Konsequenzen.
  • 25. März bis 1. April 2021: Das Erzbistum gewährt nach Voranmeldung erstmals Einsicht in das Münchener WSW-Gutachten. Es deckt sich zum Teil mit dem zuvor veröffentlichten Kölner Gutachten, nimmt aber stärkere moralische Bewertungen vor. Woelki wird auch in dem Münchener Gutachten nicht belastet.
  • 18. April 2021: Der Diözesanrat fordert zur weiteren Missbrauchsaufarbeitung eine Diözesansynode, bei der alle Akteure im Erzbistum beteiligt werden.
  • 9. Mai 2021: Woelki räumt im Fall eines Düsseldorfer Pfarrers ein, womöglich Fehler gemacht zu haben. Der Theologe ist beurlaubt. Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungen wegen Verjährung einstellt, ist der Fall nach Rom gemeldet und ein kirchenrechtliches Verfahren eröffnet worden.
  • 23. Mai 2021: Die Kirchengemeinde St. Margareta in Düsseldorf lädt Woelki von einer Firmung aus. Die Katholiken in St. Margareta seien „in den letzten Wochen und Monaten besonders betroffen von den offenkundig gewordenen Missbrauchsvorwürfen gegen Priester, die in unserer Gemeinde tätig waren“, schreiben Gemeindevertreter.
  • 28. Mai 2021: Papst Franziskus lässt den Umgang des Erzbistums mit Missbrauchsfällen untersuchen. Er beauftragt die Bischöfe von Stockholm und Rotterdam, Anders Arborelius und Johannes van den Hende, mit einer Apostolischen Visitation.
  • 30. Mai 2021: Woelki wirbt in seinem wöchentlichen „Wort des Bischofs“ um Vertrauen und räumt ein, die Situation und Stimmung unter den Kirchenmitgliedern unterschätzt zu haben.
  • 9. Juni 2021: Woelki firmt auf Wunsch der Familien 17 Jugendliche der Kirche St. Margareta. Die Protestinitiative erklärt zuvor, sie verzichte im Interesse der Firmlinge auf weitere Protestaktionen.
  • 24. September 2021: Der Vatikan teilt als Ergebnis der Visitation und Entscheidung des Papstes mit, dass Woelki im Amt bleiben darf. Ihm wird eine knapp fünfmonatige „geistliche Auszeit“ von Mitte Oktober bis einschließlich 1. März 2022 gewährt. Woelki habe nicht rechtswidrig gehandelt, aber vor allem bei der Kommunikation große Fehler gemacht.
  • 12. Oktober 2021: Weihbischof Rolf Steinhäuser übernimmt als Apostolischer Administrator bis zum 1. März 2022 die Leitung des Erzbistums Köln.
  • 18. November 2021: Steinhäuser bekennt in einem Bußgottesdienst die Schuld und das Versagen im Umgang mit sexualisierter Gewalt durch Geistliche.
  • 4. Dezember 2021: Das Erzbistum teilt mit, dass für die Missbrauchsgutachten sowie Rechts- und Krisenberatung 2,8 Millionen Euro ausgegeben wurden.
  • 31. Januar 2022: Der Mediendirektor des Erzbistums, Christoph Hardt, kündigt die Beendigung seiner Tätigkeit Ende Februar - nach nur sieben Monaten - an. Ende 2020 hatte Vorgänger Markus Günther den Posten nach zwei Jahren verlassen.
  • 16. Februar 2022: Der engste Beraterstab im Erzbischöflichen Rat rückt mehrheitlich von Woelki ab, es entsteht ein Meinungsbild gegen seine Rückkehr. Auch katholische Reformgruppen und Laien äußern sich ablehnend.
  • 18. Februar 2022: In einer repräsentativen Umfrage sprechen sich 82 Prozent der Katholiken im Erzbistum für eine Absetzung Woelkis durch den Papst aus.
  • 21. Februar 2022: Woelki kündigt für seine Rückkehr am 2. März einen Fastenhirtenbrief und eine Medienmitteilung an. Zugleich sagt er seine Teilnahme an Gottesdiensten am 2. und 5. März ab.
  • 2. März 2022: Woelki kehrt ins Amt des Erzbischofs zurück und bittet um „die Chance für einen Neuanfang“. In einem Hirtenbrief zum Aschermittwoch teilt er zugleich mit, er habe dem Papst seinen Amtsverzicht angeboten. Franziskus soll „zu gegebener Zeit“ entscheiden. Vor dem Kölner Dom demonstrieren Reforminitiativen gegen Woelki und für einen „Systemwechsel in der Kirche“.