Münster, Köln (epd). Nach Einschätzung des Münsteraner Kirchenrechtlers Thomas Schüller ist noch offen, ob der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki nach Ende seiner Beurlaubung wieder die Leitung des Erzbistums übernimmt. „Im Moment ist nicht ausgemacht, dass Kardinal Woelki an Aschermittwoch als Erzbischof von Köln zurückkommt und seine Amtsgeschäfte wieder aufnimmt“, sagte Schüller am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er verwies unter anderem auf „den schonungslosen Bericht“ des Apostolischen Administrators Rolf Steinhäuser über die Lage im Erzbistum.
Sowohl bei den zuständigen Stellen im Vatikan als auch in den innerdiözesanen Räten in Köln sei „sehr deutlich geworden, dass eine pastoral gedeihliche Zusammenarbeit mit Kardinal Woelki nicht oder nur sehr schwer vorstellbar erscheint“, sagte der Direktor des Instituts für Kanonisches Recht der Universität Münster. In die gleiche Richtung zielten auch die Hinweise der Papst Franziskus in dieser Sache beratenden Kardinäle Walter Kasper und Jean-Claude Hollerich. Sie hätten dem Kölner Kardinal den Rücktritt nahegelegt, um Schaden vom Erzbistum abzuwenden.
„Schon in der Alten Kirchengeschichte war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass Bischöfe, die keine Resonanz und Akzeptanz bei den ihnen anvertrauten Gläubigen erfuhren, entweder abgesetzt wurden oder freiwillig resignierten“, sagte Schüller. „Diese geschichtliche Erfahrung sollte sich Woelki zu Herzen nehmen und entsprechend handeln.“
Der Kölner Erzbischof steht vor allem wegen seines Umgangs mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der Kritik. Nach einer Überprüfung der Vorgänge durch päpstliche Visitatoren hatte Papst Franziskus entschieden, dass Woelki im Amt bleiben darf, ihn aber zugleich für eine knapp fünfmonatige „geistliche Auszeit“ beurlaubt.
Kirchenrechtler Schüller erwartet, dass Woelki „zum Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen“ wird, wenn der laufende Missbrauchsprozess am Landgericht Köln gegen den ehemaligen Wuppertaler Pfarrer U. beendet ist. Der Prozess habe aufgezeigt, „dass auch nach 2018 der Kardinal und sein Generalvikar keine Schutzmaßnahmen ergriffen haben, um weitere Opfer vor diesem Serientäter zu schützen“, sagte Schüller.
Der katholische Pfarrer steht wegen mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs von vier Mädchen in den Jahren 1993 bis 1999 vor Gericht. Ein leitender Pfarrer, der in Wuppertal mit U. zusammengearbeitet hatte, berichtete in einer veröffentlichten Mail an das Gericht, er sei von der Kölner Bistumsleitung nicht über die zeitweilige Suspendierung von Pfarrer U. vom Priesterdienst wegen Missbrauchsvorwürfen informiert worden. Nach seiner Ansicht hätten möglicherweise Taten verhindert werden können, wenn die Bistumsleitung entschlossen gehandelt hätte.