Alle großen deutschen Banken spekulierten mit Nahrungsmitteln, egal ob Privatbanken, Genossenschaftsbanken oder Landesbanken wie die Bayern LB und die Landesbank Baden-Württemberg, hieß es in einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Studie des Hilfswerks. "Viele Studien beleuchten den Zusammenhang zwischen Nahrungsmittelspekulation, Preisschwankungen und Hunger", sagte Frank Braßel, Leiter der Oxfam-Kampagne "Mahlzeit!".
Deutsche Finanzinstitute halten der Studie zufolge ein Sechstel aller Anlagen in Agrarrohstoffen von 68,8 Milliarden Euro. Dabei belege der Münchner Allianz-Konzern mit 6,2 Milliarden Euro den Spitzenplatz, gefolgt von der Deutschen Bank mit 4,6 Milliarden Euro. Die beiden Unternehmen gehören durch ihre Fonds zur Gruppe der weltweit führenden Rohstoffspekulanten, erläuterten die Autoren der Studie "Mit Essen spielt man nicht!". Insgesamt befänden sich Anlagen in Höhe von 11,4 Milliarden Euro im Besitz der deutschen Finanzbranche.
Erst verzichtet die Frau, dann hungert die ganze Familie
"Als die Nahrungsmittelpreise 2010/11 extrem in die Höhe schnellten, wurden zusätzlich 44 Millionen Menschen in armen Ländern in den Hunger getrieben", sagte Braßel. Während Familien in Deutschland lediglich etwa zehn Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, müssen Familien in armen Ländern oft bis zu 80 Prozent aufbringen. "In Armut lebende Menschen etwa in Kambodscha, Äthiopien oder Somalia können höhere Preise nicht abfangen." Erst verzichteten in der Regel die Frauen auf Mahlzeiten und schließlich hungere die gesamte Familie.
"Erste europäische Geldinstitute haben Konsequenzen gezogen und ziehen sich aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln zurück", sagt Braßel. Oxfam habe die Allianz im März aufgefordert, diesem Beispiel zu folgen, bislang ohne Erfolg. Die Hilfsorganisation fordert die Finanzinstitute auf, aus der Nahrungsmittelspekulation auszusteigen. Zudem müssten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine europäischen Kollegen effektive Regulierungen durchsetzen, um die Spekulation einzudämmen.
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) äußerte sich dazu zurückhaltend. "Wir können und wollen den Handel mit Nahrungsmitteln nicht aus den Gesetzmäßigkeiten des Marktes herauslösen", erklärte er in Berlin. Er setze sich aber dafür ein, die Preise insgesamt zu stabilisieren und Schwankungen zu verringern. Spekulationen mit Nahrungsmitteln seien ein "zweischneidiges Schwert", so Niebel. "So wichtig beständig steigende Preise für Agrargüter für die Erzeuger in den Entwicklungsländern sind, so schädlich sind ständige extreme Preissprünge nach oben wie nach unten", sagte Niebel.