Bochum (epd). Nach dem Coming-out von queeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der katholischen Kirche fordert der Kirchenrechtsexperte Jacob Joussen eine Änderung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der Kirche. „Dass alle 27 Bistümer ihre Grundordnung ändern, ist unrealistisch, aber dass sollte kluge Köpfe, wie den Aachener Bischof Dieser oder den Essener Bischof Overbeck, nicht daran hindern voranzugehen“, sagte der Leiter des Instituts für Kirchliches Arbeitsrecht in Bochum dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag. Die Kirche müsse erkennen, dass sie nicht mehr so hohe und undifferenzierte Forderungen an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen könne, sagte er. Eine Änderung werde von der Rechtsprechung der staatlichen Arbeitsgerichte ohnehin verlangt.
Im Rahmen der Queer-Kampagne #outinchurch hatten sich am Montag 125 kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als nicht heterosexuell geoutet. Neben Verbänden und der Politik äußerten sich auch Mitglieder der Kirche, darunter die Bischöfe Dieser und Overbeck, positiv zu der Initiative. Bis heute werden homosexuelle Handlungen kirchenrechtlich geahndet. So kann beispielsweise das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.
Aus rechtlicher Sicht müssten deshalb nun zwar grundsätzlich auch viele der an der Kampagne beteiligten Menschen mit einer Kündigung rechnen: „Hierbei ist unter anderem entscheidend, ob das Outing erhebliches Ärgernis verursacht“, erklärte der Jura-Professor, der auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. In den vergangenen Jahren sei die Rechtsprechung jedoch differenzierter geworden, weshalb schwer vorstellbar sei, dass es tatsächlich zu Kündigungen komme. „Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich ein Bischof nicht von einer solchen Initiative beeindrucken lässt“, ergänzte Joussen. Sollte es soweit kommen, seien die Betroffenen „wahrscheinlich gut beraten dagegen vorzugehen“.
Ein kurzfristiges Aussetzen der arbeitsrechtlichen Sonderregel für Kirchen sowie eine gesetzliche Änderung sind nach Einschätzung Joussens nicht denkbar. „Man bräuchte eine Grundgesetzänderung, also eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Die wird es nicht geben.“ Von politischer Seite werde deshalb „nicht viel passieren“. Bei gerichtlichen Entscheidungen werde es zukünftig immer stärker darum gehen, ob es im jeweils behandelten Fall wichtig ist, dass eine Person nicht heterosexuell lebt: „Die Kirche wird manchmal feststellen können, dass es wichtig ist, in vielen Fällen aber nicht.“