Berlin (epd). Nach der Veröffentlichung des jüngsten Gutachtens über hunderte Missbrauchsfälle und deren jahrzehntelange Vertuschung im Erzbistum München und Freising fordert die Bundesregierung die katholische Kirche zu einer umfassenden und transparenten Aufarbeitung auf. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte am Freitag in Berlin, das Gutachten sei dafür ein wichtiger Schritt, dem aber weitere folgen müssten.
Es mache erneut das Ausmaß des Missbrauchs und der Pflichtverletzung kirchlicher Würdenträger deutlich. Entscheidend sei, dass das Vertrauen in den Aufarbeitungswillen der katholischen Kirche und von einzelnen Würdenträgern gestärkt werde, sagte Hoffmann. Der Missbrauch und der anschließende Umgang mit den Taten „machen fassungslos.“ Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bedeute unendliches Leid für die Opfer und sei „schier unbegreiflich“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin.
Ein Sprecher des Justizministeriums ergänzte, die Vorfälle seien keine innere Angelegenheit der Kirchen. Wo immer sich Anhaltspunkte für Straftaten ergäben, die noch verfolgt werden könnten, müssten diese auch verfolgt werden. Er verwies darauf, dass dies bezüglich der Münchener Fälle geschehe.
Durch das unabhängige Gutachten einer Anwaltskanzlei wird auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. schwer belastet. Joseph Ratzinger soll als Münchner Erzbischof (1977-1982) in vier Fällen nicht ausreichend gegen Missbrauchs-Täter vorgegangen sein. Insgesamt ergaben die Nachforschungen für den Zeitraum 1945 bis 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt in Personalakten, Sitzungsprotokollen, Nachlässen und in Aussagen von Zeitzeugen.