Vertreter von Politik, Wissenschaft und Kirche haben die Relevanz von kirchlicher Seelsorge für die gesamte Gesellschaft gewürdigt. Diese Arbeit sei essenziell für den Zusammenhalt und werde weithin unterschätzt, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) vor der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland. Auch er selbst habe vor Jahren noch nicht gewusst, "wie wertvoll das ist".
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, wies darauf hin, dass auch kirchenferne Menschen Seelsorge als "unerwartet heilsam" erlebten.
Forscher aus Bonn und Zürich betonten das hohe Renommee und die große Professionalität der Seelsorge-Angebote. Der Präses der rheinischen Kirche, Thorsten Latzel, bezeichnete die Seelsorge als Grunddimension, Kernaufgabe und Muttersprache der Kirche.
Er plädierte angesichts einer kleiner werdenden Kirche für eine "kluge Kombination von Haupt- und Ehrenamt". Auch über eine Refinanzierung müsse nachgedacht werden, wenn kirchliche Seelsorge mit ihrer großen Expertise öffentliche Aufgaben wahrnehme.
Keine Hoffnung ohne Mitgefühl
Minister Reul lobte, die Seelsorge kümmere sich um die seelische Gesundheit der Menschen und helfe, sie bestmöglich vor Schaden zu bewahren. Das sei ein nicht zu überschätzender Dienst: "Ohne Mitgefühl stirbt die Menschlichkeit, ohne Mitgefühl erlischt das Licht der Hoffnung." Man müsse nicht gläubig sein, um aus einer solchen Anteilnahme eines anderen Menschen wieder Hoffnung zu schöpfen.
Der Minister hob in seinem Dank an die Kirche die Seelsorge für Polizistinnen und Polizisten hervor, die bei ihren Ermittlungen zu Kindesmissbrauch viele Fotos und Videos sichten müssten. "Sie kommen allein damit nicht klar", sagte der CDU-Politiker vor der digital tagenden Synode. "Nach einem solchen Abstieg in die tiefsten Tiefen der menschlichen Existenz brauchen sie jemanden, der ihnen den Weg wieder nach oben zeigt." Ohne Polizeiseelsorger sei die Arbeit der Ermittler nicht möglich.
Zeichen für Glaubwürdigkeit
Der Bonner Kultursoziologe Clemens Albrecht wies darauf hin, dass die Kirche mit Gottesdiensten und Seelsorge auch zur kollektiven Bewältigung von Unglücken und Katastrophen beitrage. Professionelle Seelsorge basiere unter anderem auf theologischem, psychologischem, soziologischem und rhetorischem Wissen. Für die Theologin Sabrina Müller von der Universität Zürich steht die Seelsorge für Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit von Kirche.
Für Seelsorge sind die Pfarrerinnen und Pfarrer in den Kirchengemeinden zuständig, darüber hinaus gibt es professionelle Seelsorgeangebote etwa in Kliniken, Heimen, Hospizen, Gefängnissen, Schulen oder bei der Polizei. Vor allem in der Telefonseelsorge engagieren sich auch viele Ehrenamtliche. Um die Versorgung trotz einer schrumpfenden Kirche zu gewährleisten, will die gut 2,3 Millionen Mitglieder zählende rheinische Kirche künftig noch stärker auf Ehrenamtliche setzen.
Neben Spezialbereichen mit hoher professioneller Kompetenz sollen in der Fläche viele Ehrenamtliche geschult werden. Gemeindemitglieder könnten sich dann mit professioneller Begleitung untereinander stärken und stützen. Seelsorge-Dezernentin Eva Bernhardt nannte dieses Konzept eine "Seelsorge der Vielen". Am 19. Januar will die Landessynode, das oberste Organ der rheinischen Kirche, eine entsprechende Vorlage verabschieden. Die Beratungen des Kirchenparlaments, das sich bei seiner Tagung schwerpunktmäßig mit Seelsorge beschäftigt, enden tags darauf.