Berlin (epd). Obwohl der Ausbau der erneuerbaren Energien weltweit rascher voranschreitet als vorhergesehen, reichen die Fortschritte nicht aus, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Das ist das Fazit des nach 2015 erneut aufgelegten WWF-Berichts „Megatrends der globalen Energiewende“. Hieß es damals noch, das Ende der fossilen Ära sei eingeläutet, sei diese Entwicklung heute unumkehrbar, sagte der Urheber der Studie, Gerd Rosenkranz, bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag in Berlin. Was zahlreiche Wissenschaftler zuvor nicht erreicht hätten, sei Greta Thunberg mit der Bewegung „Fridays for Future“ gelungen. Mittlerweile sei die Erderwärmung nicht nur als Thema in der Öffentlichkeit präsent. Auch große Teile der Industrie hätten ihre Rolle verändert.
Im Vergleich zur ersten Studie habe sich gezeigt, dass die Energiewende mittlerweile elektrisch sei und für besondere Aufgaben auf Wasserstoff setze, sagte Rosenkranz. In den vergangenen zehn Jahren hätten selbst die USA mehr Kohlekraftwerke stillgelegt als neu installiert, obwohl es das erklärte Ziel des ehemaligen Präsidenten Donald Trump gewesen sei, die Kohleindustrie zu retten. Die Vereinigten Staaten hätten derweil „mit Abstand den größten Zubau an erneuerbaren Energien“ verzeichnet: „Wenn Politik heute noch versucht zu bremsen, verliert sie.“
Kernkraft werde in Zukunft keine Rolle spielen, sagte der Autor der Studie im Hinblick auf die neuerlich aufgeflammte Debatte um Atomenergie. Es gebe kostengünstige Alternativen, so Rosenkranz. Überdies habe sich herausgestellt, dass Atomenergie eher teurer und nicht günstiger werde.
Der WWF fordert vor dem Hintergrund der Studie verstärkte Bemühungen um die Energiewende. „Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren bei der Energiewende abhängen lassen“, beklagte Viviane Raddatz. Wind- und Solarenergie seien vernachlässigt worden, sagte die Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland.
Trotz Verschärfung der Klimaziele gingen noch immer neue Kohlekraftwerke ans Netz und die Konzentration von Kohlendioxid in der Luft wachse weiter, heißt es in dem Bericht: „Negative Klimarekorde werden Jahr für Jahr aufs Neue gebrochen - mit dramatischen Konsequenzen für Mensch und Umwelt.“
Deutschland als ehemaliger Vorreiter der Energiewende sei inzwischen von zahlreichen Staaten überholt worden, beklagte WWF-Klimachefin Raddatz. Um die Erderhitzung deutlich unter zwei Grad Celsius zu drücken, müssten weitaus größere Anteile der bekannten Kohle-, Öl- und Erdgasreserven im Boden bleiben als noch 2015 angenommen, heißt es in dem Bericht. Für einen rascheren Ausbau der erneuerbaren Energien brauche überdies das Genehmigungsrecht einen „ganz anderen Schub“, mahnte der beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für Klimapolitik zuständige Carsten Rolle.
Der WWF-Bericht stimme positiv, sagte die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae. Sie plädierte gleichwohl dafür, die Anwendungsfelder bei Wasserstoff breit zu halten. Bislang gilt dieser aufgrund der hohen Kosten bei der Herstellung in vielen Anwendungsbereichen als unwirtschaftlich.