Umweltministerin verurteilt EU-Entscheidung zu Atomkraft

Umweltministerin verurteilt EU-Entscheidung zu Atomkraft

Berlin, Essen (epd). Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat die Entscheidung der EU-Kommission, Atomkraft als nachhaltig einzustufen, scharf kritisiert. „Ich halte es für absolut falsch, dass die Europäische Kommission beabsichtigt, Atomkraft in die EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten aufzunehmen“, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Online Samstag, Print Montag). Eine Energieform, die im Falle schwerwiegender Reaktorunfälle zu verheerenden Umweltkatastrophen führen könne und zudem große Mengen an gefährlichen hochradioaktiven Abfällen hinterlasse, „kann nicht nachhaltig sein“. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen Investitionen in Atomkraft- und Erdgaswerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich gelten.

Lemke erläuterte, dass die Bundesregierung von der Europäischen Kommission die Kriterien in der vergangenen Nacht im Entwurf zur Kommentierung erhalten habe. Die Ministerin bewertete es als äußerst problematisch, dass die Kommission in einer so heiklen Frage auf eine öffentliche Konsultation verzichten wolle. Die Umweltministerin kündigte an, die Kriterien zu prüfen und sich dazu in der Bundesregierung abzustimmen.

Auch die Natur- und Verbraucherschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte den Vorschlag der EU-Kommission. Damit würden umweltschädliche Investitionen unter einem grünen Deckmantel ermöglicht, erklärte die Organisation in Berlin. Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament müssten sich klar gegen diese Ausgestaltung der Taxonomie positionieren. „Atomkraft und Erdgas als nachhaltig zu kennzeichnen entzieht der Taxonomie jede Glaubwürdigkeit“, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Mit einer Zustimmung riskiere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zudem die klimapolitische Reputation der Bundesregierung.

Die Bewertungsliste habe eine zentrale Bedeutung für die Energiewende und die Umsetzung des Europäischen Green Deals, erklärte die DUH. Die EU-Kommission sei vom Europäischen Rat und Parlament ermächtigt, die Taxonomie mit sogenannten delegierten Rechtsakten, einer Art Rechtsverordnungen, auszugestalten. Ein delegierter Rechtsakt kann nur noch durch den Rat oder das Europäische Parlament verhindert werden, sobald er vorgelegt ist. Änderungen können nicht mehr vorgenommen werden, kritisierte die Organisation. Der nun vorliegende Entwurf ist den Angaben nach ein interner Vorschlag, der in den nächsten zwei Wochen innerhalb der Kommission abgestimmt wird.

Auch die Anti-Atom-Initiative „ausgestrahlt“ sowie die Fridays-for-Future-Bewegung kritisierten das Vorhaben. Damit privilegiere die EU die Atomkraft ein weiteres Mal, erklärte „ausgestrahlt“. „Damit betreibt die EU-Kommission Greenwashing im großen Stil und zerstört die Glaubwürdigkeit der Taxonomie“, sagte der Sprecher der Initiative, Jochen Stay. Atomkraft sei eine Hochrisikotechnologie und damit unvereinbar mit dem Grundprinzip der Taxonomie, keinen Schaden zuzufügen. Fridays for Future kritisierte die Bundesregierung, sich nicht gegen die Deklarierung von Gas- und Atomenergie als nachhaltig einzusetzen und erinnerte die Ampelkoalition an ihre Zusage, eine „Zukunftskoalition“ bilden zu wollen.