Köln (epd). Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, sieht Weihnachten als Chance für die Kirche. „Egal ob wir Christinnen sind oder nicht - wir rücken alle ein Stück weit zusammen“, sagte Heinrich dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag). Dass an Heiligabend so viele verschiedene Menschen in die Kirchen kämen, „gibt uns als Kirche die Chance, sie alle abzuholen mit guten Formaten, mit schönen Gottesdiensten.“ In diesem zweiten Pandemiejahr gebe es neben digitalen Weihnachtsgottesdiensten auch wieder unterschiedliche Präsenzangebote. „Alle sollen so feiern können, wie sie sich wohlfühlen“, sagte Heinrich. Sie freue sich auf ein vielfältiges Weihnachten und auf die Auswertung, welche Angebote besonders gut ankommen.
Die Kirche sei in den vergangenen Jahren nicht bei allen gesellschaftlichen Entwicklung hinterhergekommen, sagte Heinrich. „Wir haben uns nicht ausreichend darauf eingelassen, die Menschen in ihren Lebensweisen, Sozialräumen und Kommunikationsformen abzuholen.“ Die Pandemie habe mit Blick auf digitale Angebote viel Raum zum Experimentieren gegeben: „Das ist eine Chance, die Menschen neu anzusprechen und zu berühren.“
Die Präses rief zudem dazu auf, das eigene Christsein „sozusagen auch ein bisschen raushängen zu lassen.“ Der Glaube sei ihrer Ansicht nach etwas Persönliches, aber nichts Privates, sagte Heinrich: „Wenn wir als Christinnen und Christen Menschen für das Evangelium begeistern wollen, müssen wir sie auch daran teilhaben lassen, was es für uns bedeutet.“ Dafür sei „eine mutige Sprachfähigkeit“ nötig.
Mit Blick auf die Fälle von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche erklärte Heinrich, bei der bereits angestoßenen wissenschaftlichen Aufarbeitung müsse genau analysiert werden, wo es Machtgefälle gegeben habe, die Abhängigkeiten geschaffen und so sexualisierte Gewalt begünstigt hätten. „Und wir müssen mit guten Schutzkonzepten dafür sorgen, dass solche Abhängigkeiten nicht entstehen.“ Weitere Aufarbeitung sei nötig. Sie könne aber auch Menschen verstehen, die sich diese Prozesse bereits früher gewünscht hätten und die eine schnellere Aufarbeitung verlangten: „Umso mehr müssen wir uns ranhalten.“
Die Synodenpräses räumte ein: „Wir haben uns als evangelische Kirche schuldig gemacht, indem wir Menschen, die uns anvertraut waren, nicht den notwendigen Schutz geboten haben.“ Neben der katholischen und evangelischen Kirche müsse die Aufarbeitung von Missbrauch auch in anderen Institutionen und Organisationen umfassend vorangetrieben werden. Staatliche Akteure könnten dabei als unabhängige Partner unterstützen.