Bielefeld (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, verbindet mit Weihnachten neben der Festfreude auch Erinnerungen an Streit im Familienkreis. In ihrer Kindheit hätten das Schmücken des Hauses und Musik zu den Festtagen gehört. „Wir hatten zu Weihnachten aber auch regelmäßig hitzige Diskussionen zu Hause“, sagte die westfälische Präses dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Ich bin in einem Pfarrhaus groß geworden, und mein Vater hat sehr gern auch an den Feiertagen Obdachlose und Bettler zu uns eingeladen“, berichtete sie.
Einem habe er an Heiligabend die Badewanne der Familie zur Verfügung gestellt. „Meine Mutter fand das begreiflicherweise gar nicht lustig“, erzählte Kurschus, die seit November höchste Repräsentantin der evangelischen Kirche ist. „Als wir Kinder älter wurden, gab es oft intensive Gespräche darüber, welche konkreten Folgen unser Glaube hat“, sagte die 58-Jährige.
Davon hängengeblieben sei bis heute das ernsthafte Nachdenken darüber, wie sie als vergleichsweise wohlsituierter, abgesicherter Mensch die Botschaft vom „Frieden auf Erden“ konsequent lebe. „Gott kommt als Erstes zu denen, die nicht einmal das Nötigste zum Leben haben. Ich frage mich immer wieder: Sehe ich diese Menschen?“
Mit Blick auf das zweite Weihnachtsfest in der Pandemie sagte Kurschus, die Weihnachtsbotschaft gebe Hoffnung. Sie selbst sei leise, gebrochen und verletzlich: „Es geht um Menschen, die nach einer Unterkunft suchen, nur einen Stall finden, das Ganze auf einem dunklen Feld“, sagte Kurschus.
„Weihnachten ist ursprünglich nicht das romantische, glitzernde Lichterfest, als das wir es heute feiern“, sagte sie. Die Freude der Weihnachtsbotschaft zaubere die Not nicht weg, sondern halte ihr stand. „Gerade darin liegt ihre besondere Kraft“, sagte die oberste Repräsentantin der deutschen Protestanten. „Ein Fest, das alles Schäbige übertünchen und ein Mäntelchen über alles Hässliche breiten wollte, könnte uns nicht viel geben.“
Zu ihrem Lieblingsritual gehört für Kurschus nach eigenen Angaben, zu Beginn der Adventszeit das Haus zu schmücken. Über viele Jahre habe sie ein ganzes Orchester samt Chor aus Erzgebirgsengeln gesammelt. „Manche finden die furchtbar kitschig, ich freue mich daran“, sagte sie.