Tragische Hauptfigur der Handlung ist ein Mann, für den kurz nach dem Mauerfall die Zeit stehen geblieben ist: Peter Kniesbeck (André M. Hennicke) hat die letzten drei Jahrzehnte als verurteilter Raubmörder im Gefängnis verbracht, und weil er einst in der DDR staatlich geprüfter Schallplattenunterhalter war, erklingen vor allem Klassiker von Gundermann und den Puhdys. Es ist zwar erst mal befremdlich, dass der Film einem Verbrecher auf diese Weise zu einer gewissen Sympathie verhilft, aber natürlich hat auch ein Mörder, der seine Strafe verbüßt hat, das Recht auf eine zweite Chance. Außerdem versichert der Mann nach seiner Entlassung, dass er den Mord gar nicht begangen habe, und deshalb wird aus der Geschichte ein Krimi: Kaum steht er vor dem Gefängnistor, versucht ein Motorradfahrer, ihn zu erschießen.
Kniesbeck hat nie verraten, wer seine Mittäter waren: Im Sommer 1990 haben fünf Maskierte einen Geldtransport überfallen und sechs Millionen Mark erbeutet. Otto Garber (Florian Martens) war bereits damals an den Ermittlungen beteiligt. Kniesbeck ist ihm ins Netz gegangen, weil er den Fehler begangen hat, sich mit Geld aus der Beute ein neues Auto zu kaufen: Die erbeuteten Scheine waren für den Währungsumtausch bestimmt und kamen frisch aus der Druckerpresse, deshalb waren die Nummern bekannt. Offenbar haben die einstigen Komplizen keine Lust, Kniesbeck den Rest seines Anteils auszuzahlen. Andererseits könnte es auch sein, dass er tatsächlich kein Mörder ist, und deshalb will der wahre Täter nun dafür sorgen, dass er nie wieder den Mund aufmacht. Aber warum hat er die Tat überhaupt auf sich genommen?
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das Drehbuch von Jürgen Pomorin, der unter seinem Künstlernamen Leo P. Ard mit Abstand die meisten Vorlagen für „Ein starkes Team“ geliefert hat, erfreut durch eine Komplexität, die sich nicht nur auf die historischen Abstecher beschränkt. Gegenwart und Vergangenheit sind geschickt miteinander verwoben; Garber, Wachow (Stefanie Stappenbeck) und Kollege Klöckner (Matthi Faust) graben zudem allerlei Kindheits- und Jugenderinnerungen aus. Selbst das Reihenmaskottchen Sputnik (Jaecki Schwarz), seit geraumer Zeit meist bloß noch eine witzlose Lachnummer, ist diesmal sinnvoll in die Handlung integriert, allerdings weniger wegen seines vergeblichen Handels mit handgemachten Nussknackern aus dem Erzgebirge. Sehenswert ist auch die Umsetzung durch Ulrich Zrenner. Kameramann Wolf Siegelmann hat den Innenaufnahmen ein heimeliges Herbstlicht gegeben, das einen reizvollen Gegensatz zur zumindest aus Kniesbecks Perspektive eher unerfreulichen Handlung bildet: Er ist zwar nun ein freier Mann, hat aber weder Geld noch Bleibe und wird außerdem auf Schritt und Tritt von der Polizei überwacht, zumal es einen zweiten Mordversuch gegeben hat. Die Rückblenden mit dem Überfall auf den Geldtransport sind in fahles Sepia getaucht; die Farbgebung unterstreicht, wie lange das alles schon her ist. Das wird auch Kniesbeck klar, als er Laureen (Sarina Radomski) besucht: Viel schlimmer als die Mordversuche trifft ihn die Reaktion seiner Tochter, deren Begeisterung über das erste Wiedersehen nach dreißig Jahren sehr überschaubar ist.
Der Krimi kommt zwar trotz der Attentate weitgehend ohne Nervenkitzel aus, ist aber hintergründig spannend, denn es schweben gleich mehrere Fragen über der Geschichte: Wer trachtet Kniesbeck, den André M. Hennicke mit einer reizvollen Mischung aus Verbitterung und heroischem Trotz verkörpert, nach dem Leben? Wer hat damals den Mord begangen? Und welche Rolle spielen die verschiedenen weiteren Personen, die Pomorin nach und nach einführt, darunter eine Regisseurin (Annika Kuhl), die mit ihrem Ensemble das Stück „Bonzen & Banditen“ probt, während ihr Theater kurz vor der Insolvenz steht? Die interessanteste dieser Figuren ist ein Freund und ehemaliger Kollege Kniesbecks, Kalle Schwanek, der sich um Laureen gekümmert hat. Wie die beiden alten Haudegen Hennicke und Hans-Uwe Bauer das wortkarge Wiedersehen zelebrieren, ist großes Schauspiel. Auch Florian Martens ist ja ein Meister des verknappten Dialogs. Diesmal bestehen seine Einzeiler mitunter gar nur aus zwei Wörtern, wobei die lakonische Heiterkeit nicht zuletzt aus dem Kontrast zwischen Text und Bild resultiert: „Hält fit“, sagt Wachow, als in einem Wohnhaus der Fahrstuhl defekt ist. „Bin fit“, schnauft Garber, als sie endlich ihr Ziel erreicht haben.