Potsdam (epd). Im Prozess wegen der Tötung von vier Schwerstbehinderten im Potsdamer Oberlinhaus hat am Donnerstag die langjährige Psychiaterin der Angeklagten ausgesagt. „Ich habe unsere Arbeit immer als Ringen ums Überleben verstanden, dass sie am Leben bleiben kann“, sagte Heike R. vor dem Landgericht Potsdam aus. Die Angeklagte hatte die Ärztin von ihrer Schweigepflicht befreit. Sie habe keine Erklärung für die „archaische Wut“ der Tat.
Ihre damalige Patientin sei nach eigenem Bekunden als Kind „extrem in Not“ gewesen. Sie habe von Selbstmordfantasien und -handlungen in der Kindheit berichtet. Die Psychiaterin stellte im Rahmen der 2016 begonnenen Behandlung eine Persönlichkeitsstörung und starke Stimmungsschwankungen fest. Die Patientin nahm demnach in Krisensituationen in Absprache mit ihr Medikamente, um psychotische Zustände abzumildern.
Die Angeklagte habe den Vorschlag, sich wegen Überlastung krankschreiben zu lassen, abgelehnt, sagte die Psychiaterin. Ihr Fehlen am Arbeitsplatz habe sie den Kollegen nicht zumuten wollen. Die Tatsache, dass sie im Spätdienst allein für zehn Menschen zuständig war, habe sie „erschrocken“, sagte Heike R. vor Gericht aus.
Die Gewalttat im Potsdamer Oberlinhaus Ende April sorgte deutschlandweit für Entsetzen. Zum Auftakt des Prozesses hatte die angeklagte langjährige Mitarbeiterin über ihre psychischen Beeinträchtigungen und Personalmangel in der diakonischen Einrichtung berichtet. Die 52-Jährige muss sich wegen Mordes und weiterer Straftaten verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aus.