Christliche Botschaft statt Politik

Christliche Botschaft statt Politik
Annette Kurschus schlägt als EKD-Ratsvorsitzende neuen Ton an
Annette Kurschus ist zur neuen EKD-Ratsvorsitzenden gewählt worden. Sie kündigte an, den Umgang mit Missbrauch in ihrer Kirche zur Chefinnensache zu machen. Die 58-Jährige setzt zum Start auf andere Akzente als ihr Vorgänger.
10.11.2021
epd
Von Corinna Buschow (epd)

Bremen (epd). Die evangelische Kirche hat eine neue Spitzenrepräsentantin. Die westfälische Präses Annette Kurschus wurde am Mittwoch von der Synode zur neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt. Die 58-Jährige will vor allem geistlich-theologisch wirken und könnte damit andere Akzente setzen als ihr Vorgänger Heinrich Bedford-Strohm, der stets die politische Dimension des Evangeliums hervorgehoben hatte.

Kurschus sagte nach ihrer Wahl, sie wolle insbesondere die kirchliche Botschaft der Hoffnung verbreiten: „Wir haben einen Ton in das Leben einzutragen, den sonst niemand einzutragen hat.“ Zudem will sie die Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche, die bei Betroffenen auf Kritik stößt, stärker in den Blick nehmen. „Ich werde dieses Thema zur Chefinnensache machen“, versprach Kurschus nach der Wahl.

Kurschus steht seit 2012 an der Spitze der Evangelischen Kirche von Westfalen mit rund 2,1 Millionen Mitgliedern. In der vergangenen Ratsperiode war sie Stellvertreterin von Bedford-Strohm, der bei der Synode nicht erneut kandidierte, und ging auch deshalb als eine Favoritin in die Wahlen zum Rat der EKD. Zur Stellvertreterin im Ratsvorsitz wurde die 60 Jahre alte Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs gewählt. Mit der 25-jährigen Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich sind damit künftig ausschließlich Frauen in der EKD-Führung. Bislang war vor Kurschus nur eine Frau, Margot Käßmann von Oktober 2009 bis Februar 2010, EKD-Ratsvorsitzende. Der komplette 15 Mitglieder zählende Rat der EKD sollte am Mittwochabend bei einem Gottesdienst feierlich ins Amt eingeführt werden.

Kurschus ist geschätzt als überlegte Theologin und gute Predigerin. Die theologische Auslegung gilt als ihre Stärke, politische Forderungen vermeidet sie. Gefragt nach einer Bewertung der Situation der Flüchtlinge an der belarussisch-polnischen Grenze verwies Kurschus wie ihr Vorgänger auf die Achtung der Menschenwürde und die Notwendigkeit einer abgestimmten europäischen Asylpolitik. Gleichzeitig betonte Kurschus auch zur Rolle der Kirche: „Wir sind nicht diejenigen, die Politik machen.“ Fehlen dürfe die Stimme der Kirche bei vielen politischen und gesellschaftlichen Fragen aber nicht, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Beim Thema Missbrauch sieht sich Kurschus in der Pflicht, nachdem bei der Synode Betroffene scharfe Kritik an der evangelischen Kirche geübt hatten. „Das waren starke, schmerzliche und bitter notwendige Momente“, sagte sie. Die neue Ratsvorsitzende will auch die dafür in der EKD vorhandenen Strukturen überdenken. Vor allem will sie nach eigenen Worten das Gespräch mit den Betroffenen suchen. „Mein Eindruck ist, dass wir bei diesem Thema zunächst einmal klare Verständigung und transparente Kommunikation brauchen“, sagte sie dem epd. „Ich hoffe, dass wir dadurch auf dem Weg der Vertrauensbildung weiterkommen.“

Die EKD-Synode beschloss am Mittwoch zum Abschluss ihrer viertägigen Beratungen die Einrichtung einer synodalen Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, in die auch Betroffene eingebunden werden sollen. Das Thema soll künftig bei jeder Jahrestagung auf der Tagesordnung stehen. Zudem wurde das Kirchenamt der EKD damit beauftragt, eine Reform des kirchlichen Disziplinarrechts anzugehen, um die Verfahren für Betroffene transparenter zu gestalten.

Beschlossen wurde bei der digitalen Synodentagung zudem die Entfristung der zuständigen Fachstelle auf EKD-Ebene. Zwei Personalstellen würden Ende 2023 andernfalls auslaufen. Das soll im nächsten Haushalt berücksichtigt werden. Der Haushalt für 2022 wurde vom Kirchenparlament unverändert verabschiedet. Er umfasst 246,1 Millionen Euro. Insgesamt stellt sich die EKD angesichts des Mitgliederverlusts und Einbrüchen bei der Kirchensteuer auf Einsparungen ein.