Glasgow (epd). Zur Halbzeit der Weltklimakonferenz in Glasgow haben Verhandler ermutigende Signale im Kampf gegen die Erderwärmung hervorgehoben. Der US-Klimabeauftragte John Kerry erklärte am Freitag, er habe in der ersten Woche eines solchen Gipfels noch nie so viele Ankündigungen und Finanzzusagen erlebt wie dieses Mal. „Was hier passiert, ist weit weg vom Üblichen“, unterstrich Kerry. Der deutsche Staatssekretär Jochen Flasbarth sprach von einem „Feuerwerk“ von Initiativen, räumte aber zugleich ein, dass es bei den technischen Verhandlungen strittige Punkte gebe.
Unterdessen demonstrierten in den Straßen von Glasgow Tausende Anhängerinnen und Anhänger der „Fridays for Future“-Bewegung für mehr Klimaschutz, wie der britische Sender BBC meldete. An dem Protest nahm auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg teil. In der ersten Konferenzwoche waren etliche Initiativen vorgestellt worden, etwa zum Stopp der Entwaldung bis 2030, zur Reduktion des Treibhausgases Methan und zum globalen Ausstieg aus der Kohle. Der Gipfel dauert offiziell bis kommenden Freitag.
Kerry verwies auf eine Analyse der Internationalen Energieagentur vom Donnerstag, wonach alle nationalen CO2-Reduktionsziele und alle länderübergreifenden Klimaschutzprojekte zusammengenommen zu einer Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,8 Grad führen würden. „Das hat mich überrascht“, erklärte der US-Sonderbeauftragte. Aber es decke sich mit den Aussagen anderer Forscher. Zugleich betonte er, dass es sich bislang nur um Ankündigungen handle, die noch umgesetzt werden müssten.
Das Pariser Klimaabkommen von 2015 setzt das Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Bisherige Prognosen gingen von einem Anstieg um 2,7 Grad aus, wenn alle Klimaschutz-Ankündigungen umgesetzt werden.
Flasbarth erklärte, die in den vergangenen Tagen vorgestellten Initiativen seien außerhalb des offiziellen Verhandlungsstrangs angekündigt worden. Sie seien aber von „sehr sehr großer Relevanz für die Minderungen der Emissionen in dieser Dekade“.
Bei den Gesprächen zur technischen Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sieht Flasbarth indes noch einige Hürden für die zweite Verhandlungswoche. So seien die Gespräche über Regeln für einen grenzüberschreitenden Emissionsrechtehandel „durchaus schwierig“. Im Vergleich zu vergangenen Konferenzen aber scheine eine Lösung möglich.
„Wir müssen vor allem dafür sorgen, dass es keine Doppelanrechnung von Emissionsminderungen gibt“, betonte Flasbarth. Beim letzten Klimagipfel 2019 hatte einige Länder - allen voran Brasilien - darauf gepocht, CO2-Zertifikate ausgeben zu können, die sie sich gleichzeitig auf die eigene Klimabilanz anrechnen können.
Der Leipziger Klimaökonom Reimund Schwarze kritisierte derweil, dass viele Delegierte aus armen Staaten nicht nach Glasgow hätten reisen können. Offenbar hätten sie nicht ausreichend Unterstützung bei Impfungen und Unterkunftskosten erhalten. 17 Länder seien überhaupt nicht anwesend, sagte Schwarze dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese Situation schwebe „wie ein Damoklesschwert“ über dem Gipfel und drohe die Legitimität der Beschlüsse zu mindern.
Auch nichtstaatliche Organisationen, die bei Klimagipfeln traditionell als Beobachter vor Ort sind, klagen über Teilnahme-Beschränkungen. Dazu sagte Flasbarth, die deutsche Delegation habe sich bei der britischen Konferenzpräsidentschaft dafür eingesetzt, dass Akteure der Zivilgesellschaft Zugang zu den Konsultationsräumen bekommen. Das sei in der Pandemie wegen begrenzter Plätze schwerer zu organisieren als sonst. Nun seien aber bereits Verbesserungen erreicht worden.
Die Hilfsorganisation Oxfam legte am Rande des Gipfels eine Studie vor, wonach reiche Menschen zu den Treibern der Erderwärmung gehören. Das wohlhabendste Prozent der Weltbevölkerung wird demnach im Jahr 2030 voraussichtlich 16 Prozent des CO2-Ausstoßes verursachen. Die CO2-Emissionen superreicher Menschen seien damit 30-mal so hoch, wie für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels verträglich wäre.