Berlin (epd). Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, dringt auf eine verlässliche Beteiligung Betroffener an der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) habe zwar schon wichtige Schritte hin zur Aufarbeitung unternommen. Aber um unabhängige Aufarbeitung und sensible Betroffenenbeteiligung erreichen zu können, sei ein noch viel stärkeres Engagement erforderlich, betonte Rörig kurz vor Beginn der Jahrestagung des evangelischen Kirchenparlaments am Sonntag. Seitens der EKD müssten noch mehr Ressourcen und auch Zeit investiert werden.
Für Rörig ist die Klärung der Standards für Betroffenenbeteiligung eine Voraussetzung für die Unterzeichnung einer „Gemeinsamen Erklärung“, über die er seit längerem mit der EKD verhandelt. „Sie ist nur dann möglich, wenn die Betroffenenbeteiligung, die für einen erfolgreichen Aufarbeitungsprozess zentral ist, qualitätsgesichert gewährleistet werden kann“, sagte Rörig.
Im Frühjahr hatte der Rat der EKD den im Herbst 2020 berufenen Betroffenenbeirat ausgesetzt. Grund dafür waren interne Unstimmigkeiten über die Rolle der Betroffenen in der Aufarbeitung und finanzielle Ressourcen. Mehrere Mitglieder waren deswegen zurückgetreten. Die einseitige und überraschende Aussetzung des Gremiums habe zu einer enormen Störung der Verhandlungen mit der evangelischen Kirche geführt, sagte Rörig.
Es gebe wohl keine größere Herausforderung für Betroffene von sexuellem Missbrauch, als sich an einem Aufarbeitungsprozess der Institution zu beteiligen, die Traumata verursacht habe und in der ihnen viel Leid zugefügt worden sei, betonte Rörig. Die Basis für eine gelingende Betroffenenbeteiligung könne daher nur gegenseitiges Vertrauen und eine starke strukturelle und persönliche Unterstützung der mitwirkenden Betroffenen bilden. Dazu müsse unter den Betroffenen die Überzeugung wieder neu wachsen, dass die EKD und die Landeskirchen ein aufrichtiges und nachhaltiges Interesse an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit ihnen hätten. Es dürfe nicht wieder zu einer „einseitigen Machtausübung“ wie bei der plötzlichen Aussetzung des Betroffenenbeirates kommen.