Düsseldorf (epd). Etwa 8,6 Millionen Beschäftigte in Deutschland verdienen einer Studie zufolge weniger als zwölf Euro brutto pro Stunde. Sie würden von einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro profitieren, wie sie die angestrebte Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP für das nächste Jahr plant. Etwa zwei Drittel von ihnen sind Frauen, wie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag in Düsseldorf mitteilte. Beschäftigte ohne Tarifvertrag sind den Angaben nach rund dreimal so häufig von Löhnen unter zwölf Euro betroffen wie Menschen, die nach Tarif bezahlt werden.
„Ein Mindestlohn von zwölf Euro findet nicht nur breite Zustimmung, er würde auch für viele Beschäftigte spürbare Lohnsteigerungen bedeuten“, erklärte der Düsseldorfer Arbeitsmarktexperte Toralf Pusch. In seiner Untersuchung hat Pusch nach Angaben der Stiftung die neuesten verfügbaren Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) von 2019 und des Statistischen Bundesamts ausgewertet und für das Jahr 2021 fortgeschrieben. Damit könne der Forscher zur Gesamtzahl der Beschäftigten, die aktuell für weniger als zwölf Euro arbeiten, „erstmals eine verlässliche Hochrechnung für das laufende Jahr vorlegen“, erklärte die Hans-Böckler-Stiftung.
Nach Puschs Analyse verdienen 7,3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrem Hauptjob derzeit weniger als zwölf Euro in der Stunde. 1,3 Millionen erhalten in einer Nebentätigkeit einen Lohn unter zwölf Euro. Von den Hauptjobs seien rund 3 Millionen Vollzeit- und knapp 4,3 Millionen Teilzeitstellen.
Rund 30 Prozent der Beschäftigten, die in ihrem Hauptjob nicht nach Tarif bezahlt werden, arbeiten aktuell für weniger als zwölf Euro pro Stunde, heißt es in der Studie weiter. Mit Tarifvertrag seien es lediglich 9,5 Prozent. Diese Zahlen zeigen laut Pusch, dass der höhere Mindestlohn „keinen tiefen Eingriff in die Tarifautonomie“ bedeute, sondern „vor allem eine wirksame Stütze zur Stabilisierung der Löhne von Beschäftigten ohne Tarifvertrag“ wäre.
Laut Pusch werden vor allem im Einzelhandel, dem Gesundheitswesen, der Gebäudebetreuung, der Gastronomie und dem Sozialwesen Löhne unter zwölf Euro gezahlt. Betroffen seien Verkäuferinnen und Verkäufer, medizinische Fachangestellte, Köche sowie Hilfskräfte in Reinigung, Hauswirtschaft, Küchen und Logistik.