Berlin (epd). Der Landesvorsitzende des Gehörlosenverbandes Brandenburg, Steffen Helbing, setzt seinen Hungerstreik vor dem Bundeskanzleramt in Berlin fort. Er werde seinen Protest für mehr Teilhabe von tauben Menschen in Politik, Gesellschaft und Kultur erst beenden, wenn er schriftliche Zusagen von den an der künftigen Regierung beteiligten Parteien erhalte, sagte Helbing am Mittwoch in Berlin. Der 51-jährige Brandenburger fordert vor allem ein Recht auf Gebärdendolmetscher, um die Teilhabe von Gehörlosen zu gewährleisten.
Die Berliner Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Christine Braunert-Rümenapf, rief bei einem Besuch Helbings vor dem Kanzleramt zur Bereitstellung von Haushaltsmitteln auf, um die Teilnahme von Gehörlosen an politischen Prozessen zu garantieren. Das sei ein „Kernelement unserer Demokratie“.
Der Behinderten-Aktivist äußerte sich am neunten Tag seines Hungerstreiks enttäuscht über gebrochene Versprechen von Politikern. Die UN-Behindertenrechtskonvention müsse endlich umgesetzt werden. Das Thema Barrierefreiheit sei aber offenbar abgehakt, beklagte Helbing. Die aktive Beteiligung am politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Leben sei für Gehörlose nahezu ausgeschlossen, kritisierte er. Es gebe in vielen Bereichen keinen klaren Rechtsanspruch auf Kostenübernahmen für notwendige Dolmetschereinsätze. So stünden Gehörlose beispielsweise bei ehrenamtlichem Engagement stets vor der Frage der Übernahme der Finanzierung erforderlicher Kommunikationshilfen.
Bei den laufenden Verhandlungen für eine Ampelkoalition im Bund seien die Anliegen von Behinderten kein Thema, sagte Helbing. Eine neue Regierung biete dennoch Hoffnung auf Umsetzung der Anliegen der Gehörlosen.
Gebärdendolmetschen koste pro Stunde 85 Euro, bei längeren Veranstaltungen seien zwei Dolmetscher nötig, sagte er unter Hinweis auf die hohen Kosten, die Betroffene meist selbst trügen. Überdies rief er zu einem Abbau von Bürokratie in den Fällen auf, in denen bereits ein Anrecht auf Erstattung besteht.
Gehörlose seien ohne Bereitstellung von Dolmetschern von kulturellen Veranstaltungen wie Theateraufführungen ausgeschlossen, sagte der Aktivist unter Hinweis auf taube Schauspieler: „Wir bleiben mit unserer Kreativität zu Hause.“
Die Brandenburger Behindertenbeauftragte Janny Armbruster rief im Zusammenhang mit dem Hungerstreik die Politik dazu auf, die Forderung nach einer besseren Finanzierung von Gebärdendolmetschern aufzugreifen. „Ich bitte Sie, sich mit der Problematik, auf die Herr Helbing aufmerksam machen will, zu beschäftigen und mit ihm den Dialog vor Ort zu suchen“, heißt es in einem Schreiben Armbrusters an die Landesvorstände von SPD, CDU, Grünen, Linken und Freien Wählern in Brandenburg, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Sie ersuche die Parteien, mit ihm in Austausch zu treten, um sein Anliegen „aufzunehmen und zu einer baldigen Beendigung des Hungerstreiks beizutragen“.