Berlin (epd). Ostdeutsche Kommunen erleben den Strukturwandel seit der Wiedervereinigung einer neuen Studie zufolge als Herausforderung und Chance zugleich. Bis heute prägten der Verlust an Arbeitsplätzen und die Abwanderung vor allem junger Menschen viele Gemeinden, hieß es am Mittwoch bei der Vorstellung der Untersuchung des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.
Zu den Aufgaben, den Transformationsprozess zu gestalten, hätten sich immer neue Krisen gesellt, wie verheerende Überschwemmungen oder die Corona-Pandemie. In den Rathäusern mussten demnach stets innovative Lösungen für vielfältige Aufgaben gefunden werden, etwa um Leerstand zu bewältigen oder lokale Infrastruktur für eine schrumpfende und alternde Bevölkerung umzubauen.
Pragmatisches Handeln über Parteigrenzen hinweg und das Ausprobieren ungewöhnlicher Ideen hätten sich als erfolgreiche Lösungsstrategien erwiesen, sagte Susanne Dähner, Mitautorin der Untersuchung. Wichtig sei ein Ausbau der digitalen Infrastruktur, um Bewohner anzuziehen.
Ein Erfolgsmodell für die Bewältigung der Herausforderungen habe sich in den zwölf untersuchten Gemeinden nicht gezeigt, sagte die Direktorin des Berlin-Instituts, Catherina Hinz: „Aber das Bewusstsein, gemeinsam Zukunft zu gestalten, treibt sie an.“ Nach den Erfahrungen der zurückliegenden 30 Jahre „wirft sie nichts so schnell aus der Bahn.“
Besonders kleine Kommunen seien auf Netzwerke und Partner bei der Krisenbewältigung angewiesen. Die Innovationsfähigkeit hänge von den handelnden Personen ab, betonte die Direktorin.
Überdies macht der Untersuchung zufolge neue „Landlust“ bisheriger Stadtbewohner Hoffnung. Diese kann laut Hinz die Existenz von Dörfern retten, wenn diese den Zuzug von Städtern als Chance begreifen und den Mut aufbringen, Neues auszuprobieren: „Aber ohne guten Internetanschluss wird das nicht funktionieren.“
Als Beispiel für ein Erfolgsmodell des Umgangs mit Strukturwandel berichtete der Bürgermeister der sorbischen Gemeinde Nebelschütz in Sachsen, wie der Ort versuche, „enkeltauglich“ zu sein und Zuzügler anzuziehen. „Wir haben um jeden Arbeitsplatz gekämpft“, sagte Thomas Zschornak. Heute arbeite die Gemeinde an einer autarken Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen. Beim Bau eines neuen Kindergartens seien auch die jüngsten Bewohner gefragt worden. Da sie nicht hätten schreiben können, hätten sie ihre Wünsche gemalt.
Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist nach eigenen Angaben ein unabhängiger Thinktank, der sich mit Fragen demografischer Veränderungen beschäftigt.