Hamburg (epd). Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße bleib im Amt. Papst Franziskus habe entschieden, das Rücktrittsgesuch Heßes im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln, in dem Heße bis 2015 tätig war, nicht anzunehmen, teilte die Apostolische Nuntiatur am Mittwoch in Berlin mit.
Heße hatte dem Papst am 18. März seinen Amtsverzicht angeboten und sein Amt ruhen lassen. In einem Rechtsgutachten zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln waren ihm zuvor Pflichtverletzungen während seiner Zeit als Personalleiter vorgeworfen worden. Heße hatte Fehler eingeräumt, den Vorwurf der Vertuschung aber zurückgewiesen.
Bei der Untersuchung der Vorgänge bei einer Visitation im Juni seien „persönliche Verfahrensfehler“ Heßes festgestellt worden, heißt es in der Erklärung der Apostolischen Nuntiatur. Diese seien jedoch nicht in der Absicht erfolgt, die Fälle sexuellen Missbrauchs zu vertuschen. Das Grundproblem in der Erzdiözese Köln sei ein „Mangel an Aufmerksamkeit und Sensibilität den von Missbrauch Betroffenen gegenüber“ gewesen. Der Papst habe bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass Heße seine Fehler „in Demut“ anerkannt und sein Amt zur Verfügung gestellt habe
In einer ersten Stellungnahme dankte Heße dem Papst für das Vertrauen. Er werde allerdings nicht leicht sein, den Dienst wieder aufzunehmen. „Es wird um einen Neu-Anfang gehen müssen“, schrieb der 55-Jährige in einem Brief an die Gläubigen in seinem Bistum. Bei der notwendigen Erneuerung und Weiterentwicklung wolle er sich aktiv einbringen. Heße versprach, auch um diejenigen zu werben, die die Entscheidung des Papstes infrage stellen.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte, er sei dankbar für die Entscheidung von Papst Franziskus. Er werbe bei allen, die nun möglicherweise irritiert seien, dass die Entscheidung wohl überlegt und begründet ist.
Scharfe Kritik kam von der katholischen Laienbewegung „Wir sind Kirche“. Die Entscheidung des Papstes werde „nicht dazu beitragen, die tiefe Verunsicherung bei den Katholikinnen und Katholiken in Deutschland zu beenden“. Das gesamt Verfahren sei intransparent. „Die jetzige Entscheidung Roms stellt faktisch eine Amnestie für Erzbischof Stefan Heße dar, dem das Gutachten der Kanzlei Gercke elf rechtlich fassbare Pflichtverletzungen als früherer Kölner Generalvikar nachgewiesen hat“, erklärte „Wir sind Kirche“.
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) äußerte Unverständnis. „Ich bin schockiert darüber, dass im Vatikan offenbar weiter verleugnet wird, dass sichtbare und spürbare Veränderungen in der Kirche nötig sind, um das verloren gegangene Vertrauen wiederzuerlangen. In Führungspositionen kann da nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden“, sagte ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann. Der Vatikan habe die Frage nach der Glaubwürdigkeit eines Amtsträgers verdrängt.
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sprach von einem „Schlag ins Gesicht“ für die Opfer sexualisierter Gewalt. Durch die Entscheidung aus Rom werde „Heße eine enorme moralische Last auf die Schultern gelegt, der jetzt erst einmal wieder Fuß fassen muss“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag).
Der gebürtige Kölner Heße war nach dem Studium Kaplan in der Nähe von Köln und übernahm danach verschiedene Aufgaben in dem Erzbistum. So war er sechs Jahre lang Personalchef, in diese Zeit fallen die jetzt aufgearbeiteten Missbrauchsvorfälle. Als Generalvikar wurde er später Verwaltungschef der Diözese. Nach dem Rücktritt von Kardinal Joachim Meisner 2014 leitete er das Erzbistum ein halbes Jahr kommissarisch bis zur Einführung von Rainer Maria Woelki. Im Januar 2015 wurde er zum Erzbischof von Hamburg ernannt.