Essen (epd). Der ehemalige Geschäftsführer des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Emil Stehle (1926-2017), hat offenbar in den 1970er Jahren dabei geholfen, einen wegen sexuellen Missbrauchs verdächtigen Priester vor der Strafverfolgung zu schützen. Adveniat reagierte „entsetzt und beschämt“ auf den Vorwurf. Die Beteiligung Stehles an der Vertuschungsaktion sei durch die am Dienstag veröffentlichte Hildesheimer Missbrauchsstudie bekanntgeworden, teilte das Hilfswerk am Mittwoch in Essen mit.
Nach Angaben von Adveniat hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig 1963 gegen den Priester B. wegen des Verdachts des wiederholten sexuellen Missbrauchs an schutzbefohlenen Minderjährigen Haftbefehl erlassen. Der Mann sei nach Paraguay geflohen. Der Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen habe Stehle in einem vertraulichen Brief im April 1976 aufgefordert, den Namen des Priesters aus den Listen deutscher Geistlicher, die in Lateinamerika ihren Dienst versehen, „absolut verschwinden zu lassen“. Dieser Aufforderung zur Vereitelung der Strafverfolgung des gesuchten Priesters sei der Adveniat-Geschäftsführer umgehend nachgekommen.
Die Beteiligung Stehles an der Vertuschung und Identitätsfälschung habe dazu dazu beigetragen, dass der Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte, erklärte das Hilfswerk. Damit habe er sich der Vereitelung der Strafverfolgung schuldig gemacht und sei zum Helfer und Mittäter in einem Fall sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen geworden. „Wir verurteilen diese Mittäterschaft und Beteiligung Stehles an einem System der Vertuschung“, hieß es. Dass sowohl von Bischof Janssen als auch vom damaligen Hildesheimer Personalreferenten für Geistliche, Domvikar Georg Aschemann, dieses Verhalten in persönlichen Schreiben an Stehle eingefordert wurde, rechtfertige sein Tun in keiner Weise.
Nach der am Dienstag vorgestellten Studie gab es im Bistum Hildesheim zu Zeiten des früheren Bischofs Heinrich Maria Janssen (1907-1988) eklatante Missstände und schwere Versäumnisse im Umgang mit sexualisierter Gewalt. Fälle von Missbrauch seien über einen langen Zeitraum gezielt verschwiegen oder vertuscht worden, erklärten die Autoren, die mehr als zwei Jahre Akten gesichtet sowie mit Zeitzeugen und Betroffenen gesprochen hatten. Janssen habe bekanntgewordene Täter geschützt, um den Ruf der katholischen Kirche und des Priesterstandes zu wahren.