Berlin (epd). Einer Studie zufolge fühlten sich im Corona-Lockdown 78 Prozent der daheim versorgten Pflegebedürftigen schwer belastet. Bei ihren Angehörigen waren es 84 Prozent, wie aus der Untersuchung der Hochschule Osnabrück hervorgeht, die am Montag in Berlin vom Auftraggeber VdK vorgestellt wurde. Insgesamt 81 Prozent der Pflegebedürftigen und 87 Prozent der betreuenden Familienmitglieder mieden den Kontakt zu Dritten. Fast ein Drittel der Pflegebedürftigen verließ im Lockdown die Wohnung nicht mehr, wie aus den Antworten der rund 16.000 Befragten hervorgeht.
Die meisten Betroffenen fühlten sich laut Studie verängstigt und vergessen. Sie litten besonders darunter, dass viele Angebote der Tagespflege oder Demenzcafés entfielen. Auch Werkstätten für Menschen mit Behinderung mussten schließen. 37 Prozent der Pflegehaushalte nahmen nach eigenen Angaben keine Unterstützungsangebote mehr in Anspruch, hauptsächlich weil diese geschlossen wurden. So erkläre es sich, dass 70 Prozent der Befragten sich als psychisch schwer belastet bezeichneten, sagte Studienleiter Professor Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück
VdK-Präsidentin Verena Bentele zog eine bittere Bilanz: „Für die Pflegeheime legte die große Koalition millionenschwere Rettungsschirme auf, für die Pflegekräfte gab es immerhin Applaus und Boni. Nur für die pflegenden Angehörigen zu Hause gab es mal wieder nix.“ Die Pflegenden und Gepflegten daheim seien nicht nur die Vergessenen der Pandemie, ihre Belange würden dauerhaft sträflich vernachlässigt. Dabei werden laut Bentele 80 Prozent der mehr als vier Millionen Pflegebedürftigen zu Hause versorgt.
Der VdK kündigt als Konsequenz juristische Schritte an. „Deswegen werden wir jetzt die unter anderem einkassierte Erhöhung des Pflegegeldes einklagen - notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht“, sagte Bentele. Die Erhöhung aller Pflegeleistungen im Umfang von 1,8 Milliarden Euro sei bereits im Koalitionsvertrag angekündigt gewesen, wurde aber auch bei der Pflegereform im Juli nicht umgesetzt. Das Geld wird laut Bentele zweckentfremdet und umgeleitet, um die Eigenanteile in der stationären Pflege zu bezuschussen.