Er war einer der Motoren der ökumenischen Bewegung im 20. Jahrhundert: Philip Potter begleitete zeitlebens die Kirchen weltweit in ihrem Streben nach Einheit, Gerechtigkeit und Frieden. In seiner Zeit als Generalsekretär des Weltkirchenrates von 1972 bis 1984 unterstützte er maßgeblich den Kampf gegen Rassismus und die Kampagne gegen Apartheid im südlichen Afrika. Vor 100 Jahren, am 19. August 1921, wurde Potter in Roseau auf der Karibik-Insel Dominica geboren, er starb am 31. März 2015 im Alter von 93 Jahren in Lübeck.
„Mit ihm wurde erstmals eine Person aus den nach der Kolonialisierung unabhängig gewordenen Staaten zum Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen gewählt“, erklärt der Weltkirchenrat. Sein Wirken fiel in die Zeit des Kalten Krieges. Potter stellte auch Fragen an das internationale Finanzsystem aus biblischer Sicht und warnte vor einem spekulativen Spielkasino-Kapitalismus, erinnerte einmal der Ökumene-Experte Paul Löffler (1931-2010). Dabei sei er auch regelmäßig zwischen die Fronten geraten.
„Philip Potter war eine Art 'Held' für mich“, erklärt die evangelische Theologin Margot Käßmann: „Der Ökumenische Rat der Kirchen mit seinem Programm zur Bekämpfung des Rassismus und seinem Eintreten für Frieden und weltweite Gerechtigkeit hat mich als Theologiestudentin begeistert. Und Philip Potter war das Gesicht, die Persönlichkeit, die dieses Engagement verkörperte“, so die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Käßmann erinnert sich besonders an ihre erste Zentralausschusssitzung des Rats in Genf im Jahr 1984, als ein wichtiger Antrag abgelehnt wurde, den sie gestellt hatte. „Irgendwie habe ich das ungeschickt angestellt und der Vorsitzende schmetterte den Antrag ab. Philip kam zu mir, bat mich, mit ihm rauszugehen und fragte mich, was ich eigentlich gewollt hätte“, sagte Käßmann dem epd: „Ich war 26 Jahre alt und erstarrte fast vor Ehrfurcht.“ Potter habe ihr zu einer besseren Formulierung geholfen: „Wacker habe ich mich noch einmal gemeldet - und es hat geklappt.“ „Mir hat das imponiert. Philip hatte ein Sensorium, die leisen Töne zu hören und zu Gehör zu bringen. Das war mir eine Lektion für viele Jahre später“, sagte das langjährige Mitglied in den höchsten ÖRK-Gremien.
Die ehemalige Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland, Rosemarie Wenner, erinnert sich in einer Würdigung in einem Potter-Sammelband: „Wie kaum ein anderer prägte Philip Potter, der Methodist aus der Karibik, die ökumenische Bewegung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts.“
Der frühere sächsische Landesbischof Johannes Hempel (1929-2020) erinnerte sich an gleicher Stelle an Potter als eindrucksvolle Persönlichkeit von großer Gestalt, mit dunkler Hornbrille und „starker Ausstrahlung“: Potter sei in aller Regel freundlich gewesen, „aber unmissverständlich klar in der Sache“. Hempel war langjähriges Mitglied im ÖRK-Zentralausschuss und Exekutivkomitee des ÖRK.
Philip Potters Leben selbst ist ein Spiegel der ökumenischen Bewegung: Er war Jugenddelegierter auf der historischen ersten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 in Amsterdam. Aktiv nahm Potter - der Fan von Bob Marley und des Barock-Komponisten Dietrich Buxtehude (1637-1707) gewesen sein soll - dann an allen folgenden ÖRK-Vollversammlungen teil, bis zur aktuell vorletzten im brasilianischen Porto Alegre im Jahr 2006.
Nach seiner frühen Zeit als Methodisten-Pastor auf Haiti war Potter in verschiedenen Funktionen beim ÖRK tätig. Dort lernte er auch seine spätere zweite Frau kennen, die deutsche Theologin Bärbel Wartenberg. Nach seiner Pensionierung beim ÖRK ging das Paar von Genf nach Jamaika, wo beide an der Universität Kingston Theologie lehrten. Als Bärbel Wartenberg-Potter 2001 zur Lübecker Bischöfin gewählt wurde, zogen beide nach Lübeck. Seine erste Frau, die Musikerin und Komponistin Doreen Potter, verstarb 1980.
In Potters Amtszeit fiel der kirchenhistorisch bedeutende Ökumene-Text „Taufe, Eucharistie und Amt“ - kurz auch Lima-Erklärung, weil das Dokument Anfang 1982 in Lima (Peru) vorgelegt wurde. Die daraus entstandene Lima-Liturgie steht für eine Art Super-Gottesdienst. Anfang der 80er Jahre wurde die Lima-Liturgie mehrmals auf höchster Ebene gefeiert, unter anderem im Juli 1982 am Sitz des ÖRK in Genf unter Potters Leitung. Mit den Lima-Dokumenten verband sich die Hoffnung auf eine Abendmahlsgemeinschaft - auch zwischen Katholiken und Protestanten. Wie man heute weiß, erfüllte sich diese Hoffnung nicht.
Potter hatte immer die Menschen an den Rändern der Gesellschaft im Blick. „Warum ist es notwendig, mit den Armen Theologie zu treiben? Weil die Armen uns mit der härtesten Realität konfrontieren, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben“, sagte er in einem Vortrag im Ökumenischen Institut in Bossey bei Genf aus dem Jahr 1984. Da die Armen die übergroße Mehrheit der Menschheit darstellen, stellen sie laut Potter „die unmissverständliche Frage an uns: Warum, warum soll dies so sein?“