Frankfurt a.M. (epd). Nach tagelangem Warten auf dem Mittelmeer haben zwei Seenotrettungsschiffe mit insgesamt mehr als 800 Flüchtlingen in Sizilien angelegt. Die „Ocean Viking“ erreichte am Sonntagmorgen den Hafen von Pozzallo, wie die Betreiberorganisation SOS Méditerranée mitteilte. Von der „Sea-Watch 3“ konnten nach Corona-Tests die meisten Flüchtlinge von Bord gehen. Alle müssen nun für 14 Tage in Quarantäne. In Deutschland gab es zahlreiche Demonstrationen zur Unterstützung der privaten Seenotrettung.
Die Ausschiffung der 549 Flüchtlinge auf der „Ocean Viking“ in Pozzallo im Südosten Siziliens verzögerte sich am Sonntag, wie Petra Krischok von SOS Méditerranée sagte. Zunächst müssten alle auf das Coronavirus getestet werden. Es dürfte erfahrungsgemäß zwei Tage dauern, bis alle das Schiff verlassen hätten. Die „Ocean Viking“ hatte sechs Tage auf dem Mittelmeer warten müssen, bis ihr die italienischen Behörden einen sicheren Hafen zuwiesen.
„Diese unmenschlichen Wartezeiten dürfen nicht zur Norm werden“, mahnte SOS Méditerranée: „Die europäischen Länder müssen dringend einen zuverlässigen Mechanismus für die Ausschiffung schaffen.“ Die Lage auf der „Ocean Viking“ hatte sich den Angaben zufolge zuletzt weiter zugespitzt. Von beiden Schiffen mussten bereits auf See Menschen aus gesundheitlichen Gründen evakuiert werden.
Bis zum Sonntagnachmittag konnten 240 der 257 von der „Sea-Watch 3“ Geretteten das Schiff in Trapani verlassen, wie Sea-Watch auf Twitter mitteilte. Einige der Verbliebenen seien nunmehr seit neun Tagen an Bord - darunter Menschen, die medizinisch versorgt werden müssten. Es habe Verzögerungen gegeben, weil die Quarantänefähre im Hafen der westsizilianischen Stadt wegen starker Winde erst am Samstagabend habe anlegen können, sagte Sprecherin Mattea Weihe. Die Flüchtlinge müssen dort für zwei Wochen in Covid-Quarantäne, unbegleitete Minderjährige und Familien mit Kindern dürfen die Quarantäne voraussichtlich an Land verbringen.
Das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. Es gibt dort keine staatlich organisierte Seenotrettung für Migranten aus Afrika, die regelmäßig auf der gefährlichen Überfahrt nach Europa in Seenot geraten. Einzig private Organisationen halten mit verschiedenen Schiffen Ausschau nach gefährdeten Menschen. Bislang sind in diesem Jahr laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mindestens 1.195 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen.
In mehreren deutschen Städten demonstrierten am Wochenende Menschen für eine Unterstützung der zivilen Seenotrettung und für ein europäisches Seenotrettungsprogramm. In Berlin versammelten sich am Samstag unter dem Motto „Seenotrettung ist #unverhandelbar“ rund 150 Demonstrantinnen und Demonstranten in der Nähe von Bundestag und Bundeskanzleramt, in Köln nahmen laut Polizei 350, laut Veranstaltern 500 Menschen an einer Kundgebung teil. In Hamburg zogen am Sonntag mehr als 300 Demonstranten von den Landungsbrücken zum Fischmarkt Altona.
Das Seebrücke-Bündnis gab die Teilnehmerzahl bei rund 15 Kundgebungen am Samstag mit insgesamt mehreren Tausend an. „Wir wollen uns nicht an das Sterben im Mittelmeer gewöhnen“, erklärte Marielle Hettich von Seebrücke. Die Europäische Union müsse sichere und legale Fluchtwege sicherstellen. Zu dem Aktionstag hatten unter anderem Sea-Watch, Seebrücke, Amnesty International, Oxfam, Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl aufgerufen.