Berlin, Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich mit einer Eilmaßnahme gegen eine bevorstehende Abschiebung aus Österreich nach Afghanistan gewandt. Ein Sprecher des Gerichtshofs bestätigte am Dienstag in Straßburg auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), dass am Vortag eine sogenannte Vorläufige Maßnahme nach Artikel 39 der Verfahrensordnung ergriffen wurde. Der Artikel wird laut Gericht meist angewendet, wenn unmittelbare Gefahr eines nicht wiedergutzumachenden Schadens droht.
Der Antrag war von der österreichischen Deserteurs- und Flüchtlingsberatung für eine von der Abschiebung betroffenen Person gestellt worden, wie die Organisation mitteilte.
Pro Asyl erklärte, dass die Bundesregierung sich an dem österreichischen Abschiebeflug beteiligen wollte, der nun von dem Gerichtsbeschluss betroffen sei. Noch am Dienstagabend sollte demnach eine Maschine aus Deutschland nach Wien fliegen und von dort weiter nach Kabul. Mit Blick auf die Eilentscheidung forderte die Organisation die Bundesregierung auf, einen Abschiebestopp zu erlassen.
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums hatte zu den möglichen Abschiebungen keine Aussagen gemacht, sondern auf epd-Anfrage lediglich erklärt, dass das Ministerium keine Angaben „im Hinblick auf die konkrete Durchführung von Rückführungsmaßnahmen“ mache, „bis derartige Maßnahmen abgeschlossen sind, um die Durchführung solcher Maßnahmen nicht zu gefährden“.
Aus Deutschland sind 2021 laut Ministerium bislang 167 Menschen nach Afghanistan „zurückgeführt“ worden. Die afghanische Regierung hatte die EU-Mitgliedsstaaten Mitte Juli aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage um einen Abschiebestopp gebeten.
In Afghanistan erobern die radikal-islamischen Taliban aktuell immer mehr Gebiete. Die Vereinten Nationen warnten zuletzt vor einem dramatischen Anstieg der zivilen Opfer.