Ethikerin: Ärzte werden zentrale Rolle spielen bei Hilfe zum Suizid

Ethikerin: Ärzte werden zentrale Rolle spielen bei Hilfe zum Suizid
29.07.2021
epd
epd-Gespräch: Bettina Markmeyer

Berlin (epd). Ärztinnen und Ärzten kommt nach Ansicht der Münsteraner Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert bei der Hilfe zum Suizid künftig eine zentrale Rolle zu. Schöne-Seifert sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag in Berlin, bei der Unterstützung einer Selbsttötung wären sie „die maßgeblich richtigen Personen“. Zugleich müsse absolut klar sein, dass kein Arzt und keine Ärztin zur Hilfe zum Suizid genötigt werden dürfe, auch nicht indirekt, etwa durch soziale Erwartungen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das Verbot der organisierten Sterbehilfe gekippt und erklärt, jeder Mensch habe das Recht, sein Leben zu beenden und dazu auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Politik und Ärzteschaft befassen sich seither mit einer möglichen Nachfolgeregelung.

Schöne-Seifert gehört zu den Autoren eines Diskussionspapiers zur Neuregelung des assistierten Suizids, das die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina am Donnerstag veröffentlicht hat. Die zwölf Autorinnen und Autoren verstehen ihre Empfehlungen als Betrag zur Debatte um eine gesetzliche Neuregelung. Dazu zählt etwa, dass ein Arzt die Freiwilligkeit und Klarheit einer Suizid-Entscheidung prüfen und erst nach Beratung und einer Bedenkzeit für den Patienten ein anderer Arzt das tödliche Medikament überreichen soll.

Schöne-Seifert verwies auf Umfragen, wonach etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Ärzte in Einzelfällen zur Hilfe zum Suizid bereit seien und die Entscheidung mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, etwa weil sie den Patienten sehr gut kennen und ihm ermöglichen wollten, den Schritt in einem geschützten und vertrauten Rahmen zu tun - anders als dies bei einer Sterbehilfeorganisation möglich sei.

Noch sei es für Patienten sehr schwierig, direkt einen Arzt dafür zu finden. Solange halte sie Sterbehilfeorganisationen für „eine wichtige und willkommene Auffangoption“, sagte Schöne-Seifert. Sie vermittelten derzeit maßgeblich die Ärztinnen und Ärzte, die zur Suizidbeihilfe bereit seien.

Zur Rolle der Angehörigen und Freunde sagte Schöne-Seifert, sie spielten „gewiss häufig eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung“. Sie wünsche sich, dass Patientinnen und Patienten diese Entscheidung nicht geheim und allein treffen müssten, „sondern mit ihren Angehörigen, Nächsten und Liebsten“. Die Beschaffung des tödlichen Medikaments müsse indes den Ärztinnen und Ärzten vorbehalten werden.

Zur künftigen Entwicklung beim assistierten Suizid sagte Schöne-Seifert, „es wird sicher eine gewisse Zunahme geben“. Wer dazu bisher in die Schweiz gefahren sei - etwa 100 Menschen pro Jahr -, brauche dies künftig nicht mehr zu tun. Es werde auch eine Reihe von Suiziden geben, die bisher schon stattgefunden hätten, wenn die Menschen dazu die Möglichkeit gehabt hätten. „Dieser Notausgang, den es vorher so nicht gab, wird benutzt werden“, sagte Schöne-Seifert. Einen „Dammbruch“, der diesen Namen verdiene, erwarte sie jedoch nicht.