Polizei löscht Kindesmissbrauchs-Daten nicht

Eine Ermittlerin sitzt im LKA Hessen vor einem Monitor mit Fotodateien
Arne Dedert/dpa
Laut einer Recherche des Reportageformats "Panorama" haben Ermittler:innen massenhaft kinderpornografische Inhalte im Internet stehen lassen. (Symbolbild)
"Panorama" deckt auf
Polizei löscht Kindesmissbrauchs-Daten nicht
Laut Reportern ist das systematische Löschen strafbarer Daten schon mit wenig Personal möglich. Behörden ließen die Daten dennoch im Netz stehen - und zwar selbst dann, wenn die Aufnahmen Gegenstand von Ermittlungen gewesen seien.

Deutsche Ermittler verzichten laut Norddeutschem Rundfunk (NDR) auf die systematische Löschung von Kindesmissbrauchs-Fotos und -Videos aus dem Internet. Sogar wenn die strafbaren Aufnahmen, die in Foren getauscht würden, Gegenstand von Ermittlungen gewesen seien, ließen Behörden sie nicht sofort löschen, teilte der NDR am Donnerstag in Hamburg unter Verweis auf Recherchen des ARD-Politikmagazins "Panorama" und des Rechercheformats "STRG_F" (NDR/Funk) mit. Unterdessen erklärte das Bundesinnenministerium, das Löschen von Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen sei ein wichtiger Teil des Gesamtansatzes der Ermittlungsbehörden.

Laut NDR wäre das systematische Löschen schon mit wenig Personal möglich. Dass Behörden die Methode nicht nutzten, stehe im Widerspruch zu politischen Zusagen der vergangenen Jahre. So habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), nachdem 2021 durch Recherchen von "STRG_F", "Panorama" und "Spiegel" bekannt geworden sei, dass auch das Bundeskriminalamt (BKA) massenhaft illegale Inhalte im Netz gelassen habe, mehrfach beteuert, die Löschverfahren beim BKA seien daraufhin umgestellt worden.

Die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern habe aufgrund der Recherchen aus 2021 prüfen lassen, ob deutsche Polizeibehörden die Methode umsetzen könnten, so der NDR. Die Innenministerinnen und -minister hätten im Protokoll festgehalten, dass sie "eine geeignete Möglichkeit bietet, die Verfügbarkeit von Missbrauchsabbildungen zu reduzieren". "STRG_F" und "Panorama" liege allerdings ein vertraulicher Bericht vor, demzufolge technisch mögliche Löschungen der Aufnahmen nicht stattfänden. Ein Grund sei fehlendes Personal, zudem müsse die Rechtslage geklärt werden, heiße es. Wie die Recherchen jetzt belegt hätten, habe auch das BKA das systematische, anlassunabhängige Löschen strafbarer Bilder bisher nicht umgesetzt.

Innenministerium habe Prozesse evaluiert

Das Bundesinnenministerium erklärte auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), das Löschen von Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen sei neben der konsequenten Strafverfolgung ein wichtiger Teil des Gesamtansatzes der Ermittlungsbehörden. "Dabei müssen die zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst effizient und effektiv genutzt werden", so eine Sprecherin. Die beteiligten Stellen auf Ebene von Bund und Ländern arbeiteten deshalb stetig daran, Prozesse zu verbessern, um Doppelarbeit zu vermeiden und Synergien zu schaffen. "So hat das BKA die Prozesse zur schnellstmöglichen Reduzierung der Verfügbarkeit von kinder- und jugendpornografischen Inhalten im vergangenen Jahr evaluiert und angepasst." Auch künftig werde "eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe intensiv daran arbeiten, die Arbeitsabläufe auch weiterhin zu optimieren".

Dass aktuell weiterhin nicht gelöscht werde, fanden "STRG_F" und "Panorama" laut NDR mittels Datenanalyse in Darknet-Foren heraus. In einem Pilotprojekt hätten dann zwei Mitarbeitende in Darknet-Foren die dort verlinkten Fotos und Videos erfasst. Zum Hintergrund hieß es, pädokriminelle Täter vernetzten sich im Darknet zwar, ihre Daten speicherten sie aufgrund deren Größe aber im "normalen" Internet. Im Darknet-Forum teilten sie lediglich die Download-Links. Die Speicherdienstbetreiber ahnten wegen der erfolgten Verschlüsselung meist nichts davon, reagierten aber auf Hinweise von außen.

Nachdem "Panorama" und "STRG_F" die gesammelten Links an die Speicherdienste gemeldet hätten, hätten diese mehr als 300.000 Links zu Millionen Aufnahmen deaktiviert und die Daten von ihren Servern gelöscht. Zwei Darknet-Foren, in denen gelöscht wurde, hätten daraufhin ihren Betrieb komplett eingestellt. Einige Pädokriminelle hätten wegen der Löschung aufgehört, weiter Inhalte hochzuladen, hieß es.

"STRG_F" berichtet über das Thema am (heutigen) Donnerstag ab 17 Uhr in der ARD-Mediathek und auf Youtube. "Panorama" berichtet um 21.45 Uhr im Ersten. Anschließend ist der Bericht in der ARD-Mediathek zu sehen.