Julius Euting (1839 - 1913) ist einer der vielen württembergischen evangelischen Theologen, die weit über ihr Amt hinaus gewirkt haben. Der gebürtige Stuttgarter wandte sich nach dem in Tübingen absolvierten Theologiestudium dem Nahen Osten zu. Er unternahm mehrere Forschungsreisen in das gesamte Mittelmeergebiet, nach Syrien und nach Nordwest-Arabien. Dabei hat er rund 900 aramäische, nabatäische, sabinische und sizilianische Inschriften dokumentiert.
Seine Veröffentlichungen - 26 Reisetagebücher und 7 Skizzenbände - haben ihn über Fachkreise hinaus bekannt gemacht. Sie gelten als Musterbeispiel einer ethnologisch-anthropologischen Forschung. Sie befinden sich im Nachlass der Tübinger Universitätsbibliothek und werden von der seit 2004 bestehenden Julius-Euting-Gesellschaft ausgewertet.
Euting durchlief nach Landexamen und Klosterschule von 1657 bis 1861 das Tübinger Evangelische Stift. Seine herausragende Sprachbegabung - er soll 15 Sprachen beherrscht haben - veranlasste ihn zu orientalischen Studien in Paris, London und Oxford und der Promotion zum Dr. phil. Er wurde schließlich Professor und Direktor der Universitätsbibliothek Straßburg, damals das Zentrum der Orientforschung.
In der Ferne zuhause
1880 erfolgte die Ernennung zum ordentlichen Honorarprofessor an der Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg; 1900 wurde er zum Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek Straßburg ernannt.
Dabei war der vielseitig interessierte Schwabe nicht nur in der Vergangenheit und in der Ferne zuhause: Er stiftete seiner alten Schule, dem Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart, einen Preis für Schönschreiben, der noch bis Ende der 1960er Jahre vergeben wurde. Dazu war der begeisterte Wanderer mit dem Schwarzwald und den Vogesen verbunden. Er war von 1876 bis 1912 Präsident des Gesamt-Vogesenclubs: an ihn erinnert bis heute der "Juliusturm" auf dem Gipfel des elsässischen Climot, und er betrieb den Zusammenschluss der deutschsprachigen Wandervereine in Europa.
Seinen Lieblingsplatz fand der weitgereiste Mann im Schwarzwald bei Baiersbronn auf dem über 1.000 Meter hohen Gipfel des Seekopfs. Hier verweilte er, wann immer er Zeit und Muße fand. Und hier hat er - seinem Wunsche entsprechend - seine letzte Ruhestätte gefunden. Seither gibt es immer an seinem Geburtstag besten arabischen Mokka für jeden Besuch - auch das hat Euting so bestimmt.