Den Komponisten und Carl Orff-Schüler Hiller traf Nitsche 2009, als dieser auf der Suche nach einem Nachfolger für seinen 1995 verstorbenen Librettisten Michael Ende war. Die „Schöpfung“ wurde von Skulpturen von Antje Tesche-Mentzen im Atrium und Garten der Katholischen Akademie in München inspiriert. „Das Spiel des Lichts auf dem großen Brunnenmosaik lässt durch die vielfache Brechung auf der windbewegten Wasseroberfläche goldene Muster über das Schöpfungsmosaik wandern. Daraus wurde Willfried Hillers Musik vom Anfang des Lebens“, beschreibt Nitsche dieses „klingende Mosaik.“
Nitsches theologischer Ansatz ist ein Wagnis, wie es die Schöpfung selbst sei. „Wenn auf der Welt nicht nur Marionetten herum laufen, sondern die Lebewesen ihre eigenen Schritte machen, dann birgt das ein großes Risiko für den Schöpfer“, sagt Nitsche. In seinem Stück lässt ein „Versucher“, der Jesus in der Wüste heimsucht, diesen immer wieder an seinem Wirken zweifeln und erinnert an den Brudermord Kains, durch den deutlich wurde, dass Missgunst und Gewalt ebenfalls zur Welt gehören. Das Geschehen endet mit Zitaten aus der biblischen Offenbarung und der Hoffnung, dass die Schöpfung im Frieden Gottes aufgehoben wird.
Das Jahr 2021 als erstes Jahr im Ruhestand sieht Nitsche als „Sabbatical“ ohne Kanzel. Ihm sei bewusst, dass er als Autor von Texten musikalischer Werke in theologischer Hinsicht die bisher „sicherere Bühne“ des Gottesdienstes verlasse und sich der Interpretation des Publikums stellen muss. „Aber es ist doch wie bei Gottes Schöpfung: Ohne Risiko geht nichts.“
Viel weiter ausholen will Nitsche dagegen mit einem aktuellen Romanprojekt, in dem er die Gegenwart und die Zeit der Reformation in Nürnberg spiegeln will, das vor 500 Jahren geistiges und wirtschaftliches Zentrum Europas war, wie er erzählt. Die Grundfrage laute: Was passiert mit der Gesellschaft in einer Zeit, in der die alten Ordnungen nicht mehr zu tragen scheinen und niemand ein Patentrezept hat?