Herr Hammer, warum gefällt es dem Großen Mausohr ausgerechnet in der Happurger Kirche so gut?
Matthias Hammer: Das Große Mausohr, die größte heimische Fledermausart, ernährt sich wie alle heimischen Fledermausarten von Insekten, bevorzugt von Lauf- und Mistkäfern, die es auf dem freien Waldboden erbeutet. Besonders große Kolonien der Art gibt es deshalb in Regionen mit ausgedehnten Laubwäldern, wie sie auch in der Hersbrucker Alb um Happurg vorherrschen. Die Happurger Mausohren nutzen Jagdgebiete in einem Umkreis von bis zu 15 Kilometer um die Kirche. Die Wochenstube in der St. Georgskirche stellt also das Zentrum der Mausohrpopulation eines sehr großen Einzugsbereiches dar. Da die Tiere auf 'ihre Geburtskirche' geprägt sind, kann ein solches Quartier auch nicht woanders als Quasi-Ersatz neu geschaffen werden. Aus diesem Grund sind die Nutzer oder Besitzer von Fledermausquartieren in der Verantwortung, bei Sanierungsarbeiten auch auf die Tiere zu achten.
Gibt es dann noch größere Populationen als in Happurg?
Hammer: Im Jahr 2020 waren uns bayernweit größere Vorkommen als in der St. Georgskirche in der Kartause Grünau, einer Gaststätte im Spessart in Unterfranken, in der katholischen Kirche Staadorf im Landkreis Neumarkt, der katholischen Kirche in Ehrl (Kreis Bamberg) und im Schloss Sulzheim (Kreis Schweinfurt) bekannt. All diese Kolonien übertreffen die Durchschnittsgröße einer bayerischen Mausohrkolonie jeweils um das Mehrfache, besitzen also landes- und bundesweite Bedeutung. Deshalb wurden sie als Bausteine des Europäischen Naturerbes in das Schutzgebietssystem "Natura-2000" der Europäischen Union aufgenommen.
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Fledermäuse zählen, wie funktioniert das eigentlich?
Hammer: Die Kolonien des Großen Mausohrs werden bayernweit einmal jährlich gezählt - meistens im Juli. Obwohl Mausohrkolonien häufig mehrere hundert, manchmal auch über 1000 Tiere umfassen, versuchen wir doch, sie nicht nur zu schätzen, sondern Kopf für Kopf zu zählen. Dennoch schwanken die Zählergebnisse in den Kolonien von Jahr zu Jahr, zum Beispiel aufgrund unterschiedlicher Witterungsbedingungen oder Änderungen in der Erfassbarkeit der Tiere. Trotz dieser Schwankungen gehören alljährlich dieselben Vorkommen zu den größten, mit in der Regel nur geringen Änderungen in der Reihenfolge. Der Erhalt der biologischen Vielfalt hat in Bayern Verfassungsrang. Das gilt für den Artenschutz im Allgemeinen und den Fledermausschutz im Speziellen und scheint vielen Mitbürgern noch nicht ausreichend bewusst zu sein. Allzu häufig wird der Naturschutz als "Privatvergnügen" und Aufgabe einiger Aktivisten, Vereine oder Parteien verstanden.