München, Münster (epd). Der Kirchenexperte Thomas Schüller sieht in dem Rücktrittsangebot des Münchner Kardinals Reinhard Marx auch Kritik an der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln. Marx wünsche sich Übernahme von Verantwortung, Umkehr und den Mut zu wirklichen Reformen, erklärte Schüller, der an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität lehrt. „Er greift Kardinal Rainer Maria Woelki frontal an, wenn er von denen spricht, die sich hinter juristischen Gutachten verstecken und nicht bereit sind, die systemischen Ursachen der sexualisierten Gewalt in der Kirche mit mutigen Reformen anzugehen“, sagte Schüller am Freitag.
Diese Botschaft richtet sich nach Worten Schüllers auch direkt an Papst Franziskus. Die Aussage von Marx' Schritt laute: „Sei so mutig wie ich und stoß endlich Reformen an.“ Wenn der Papst Reformen wolle, „dann bleibt im Blick auf die sexualisierte Gewalt in der Kirche kein Stein auf dem anderen“.
Kardinal Marx übernehme mit diesem aufsehenerregenden Schritt einerseits persönlich Verantwortung für seine Versäumnisse als Bischof von Trier und als Erzbischof von München-Freising, was die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch angehe, würdigte Schüller. Alle deutschen Bischöfe würden sich nun an dieser souveränen und Größe zeigenden Bereitschaft zum Amtsverzicht und damit zur Übernahme von Verantwortung messen lassen müssen. „Kardinal Reinhard Marx ist für seine Entscheidung großer Respekt zu zollen und zu danken“, sagte der Direktor des Instituts für Kanonisches Recht.
Kardinal Reinhard Marx hat Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten. Mit diesem Schritt wolle der 67-jährige Theologe, der seit 2008 an der Spitze des Erzbistums München und Freising steht, Mitverantwortung übernehmen „für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten“, schrieb Marx nach Angaben seines Erzbistums vom Freitag an den Papst. In einer persönlichen Erklärung hob Marx hervor, er wolle er mit seinem Amtsverzicht persönliche Verantwortung tragen, „nicht nur für eigene mögliche Fehler, sondern für die Institution Kirche“.