Frankfurt a.M. (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will im Herbst über die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Betroffenen sexualisierter Gewalt beraten. Nach dem vorläufigen Scheitern des Betroffenenbeirats solle im Herbst mit den sieben bis zuletzt im Gremium verbliebenen Mitgliedern besprochen werden, wie es weitergehe, sagte der Sprecher des EKD-Beauftragtenrats, der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns, am Samstag beim 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main.
Die Pädagogin und Religionswissenschaftlerin Katharina Kracht warf der EKD Machtmissbrauch vor. Die einseitige Auflösung des Betroffenenbeirats der EKD am vergangenen Montag sei „absolut fatal“ und ein „sehr gutes Beispiel von Machtmissbrauch“, sagte sie bei einem Podium zum Thema „Macht und Autorität in der Kirche“. Sie forderte von der EKD, die eigene Deutungshoheit infrage zu stellen und zu reflektieren, welche Macht von ihr als Organisation ausgehe. Kracht hat selbst Missbrauch in der Kirche erlebt.
Die EKD hatte am Montagabend das vorläufige Aus des Betroffenenbeirats bekanntgegeben. Die Konzeption sei gescheitert, hieß es. Grund sind demnach fünf Rücktritte aus dem zwölfköpfigen Gremium, interne Konflikte und Dissens zwischen dem Betroffenenbeirat und dem Gegenüber auf EKD-Seite, dem Beauftragtenrat, über das weitere Vorgehen.
Kracht, die selbst Mitglied im Betroffenenbeirat gewesen ist, wies die Darstellung der EKD zurück. Die EKD habe das Gremium einseitig aufgelöst - gegen das Votum der Mehrheit der im Betroffenenbeirat verbliebenen Mitglieder. Die EKD will nun die Gründe des Scheiterns extern untersuchen lassen und dann über das zukünftige Modell der Betroffenenbeteiligung entscheiden.
Der Trierer katholische Bischof Stephan Ackermann sprach von einer „hoch anspruchsvollen Aufgabe“ in Bezug auf die Arbeit in kirchlichen Betroffenenbeiräten. Ackermann ist Missbrauchs-Beauftragter für die katholische Deutsche Bischofskonferenz. In diesen Gremien träfen Menschen mit unterschiedlichen Geschichten, Verletzungen und Kirchenerfahrungen aufeinander, die zu einer gemeinsamen Linie finden müssten. Dazu brauche es eine große Empfindsamkeit auch seitens der Kirchenvertreter, externe Moderation und Supervision.
Man brauche die Betroffenenbeiräte als klares Gegenüber zu den kirchlichen Gremien und als Berater, erklärte Ackermann. Doch für viele Betroffene, die sich zu einer Mitarbeit in diesen Beiräten entschlössen, sei das eine konfliktreiche Aufgabe, weil sie zugleich als Berater zu einer gewissen Kooperation mit der Institution Kirche bereit sein müssten. Auch in der katholischen Kirche gibt es seit kurzem auf Ebene der Bischofskonferenz einen eigenen Betroffenenbeirat.
Die Münchner Autorin Petra Morsbach, die sich mit Machtmissbrauch beschäftigt hat, sprach den Betroffenen in der Diskussion mit Meyns und Ackermann Mut zu, „nicht lockerzulassen“. Sie seien oft nicht so machtlos, wie sie sich fühlten.
Der 3. Ökumenischer Kirchentag in Frankfurt am Main findet noch bis Sonntag unter dem Leitwort „schaut hin“ überwiegend digital statt.