Berlin (epd). In mehr als 40 Städten soll am Samstag gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen protestiert werden. Eine der größten Aktionen ist in Berlin mit einer stillen Menschenkette um den Reichstag geplant, wie das „Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung“ am Freitag in Berlin ankündigte. Kundgebungen und Demonstrationen gibt es unter anderem in Stuttgart und Frankfurt, dazu kommen Onlineformate wie Filmvorführungen mit Podiumsdiskussion beispielsweise in Hannover. Auch Guerilla-Aktionen wurden angekündigt, die unter anderem das Stadtbild von Mainz und Marburg verschönern sollen, wie es hieß.
Das bundesweit tätige Bündnis fordert die Abschaffung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Unterstützt wird der Protest von 120 Organisationen, darunter pro familia, Humanistischer Verband Deutschland, die Jusos, die Grüne Jugend, die AWO und als bislang einzige Gesamtpartei die Linken.
Die Entscheidung für oder gegen ein Kind müsse frei von gesetzlichem Zwang, aber auch ohne materielle Zwänge und frei von Diskriminierung möglich sein, erklärte die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Cornelia Möhring. Der Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes, Jens Schubert, sagte, zur Selbstbestimmung von Frauen gehöre ausdrücklich auch das Recht, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob, wann und wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommen möchte.
Anlass der Proteste ist das 150-jährige Bestehen des umstrittenen Paragrafen. Er wurde am 15. Mai 1871 im ersten Reichsstrafgesetzbuch verankert und hat seitdem mit Modifizierungen seine Gültigkeit behalten. Mit Ausnahmen sind bis heute Schwangerschaftsabbrüche nach bundesdeutschem Recht grundsätzlich verboten. „218 entmündigt und kriminalisiert Betroffene und Ärztinnen und Ärzte, stigmatisiert sie und behandelt Schwangerschaftsabbrüche weiterhin als großes Tabu“, kritisierte Eva Kubitz von der Kampagne "150 Jahre Widerstand gegen §218 - Es reicht!”.
Eine Anfang März gestartete entsprechende Petition wurde bis Freitagmittag von rund 37.000 Menschen unterschrieben. Gefordert werden die ersatzlose Streichung des Paragrafen als Straftat und rechtliche Regelungen außerhalb des Strafgesetzbuches.
Die Berliner Frauenärztin Christiane Tennhardt nannte den Paragrafen eine „Entmündigung sondergleichen“. Er unterstelle, dass Frauen leichtfertig mit Schwangerschaftsabbrüchen umgehen. Das es auch anders gehe, zeigten Kanada und Argentinien, wo Schwangerschaftsabbrüche legal seien und es trotzdem keine Zunahme gebe.
Die Hamburger pro-familia-Beraterin Kersten Artus berichtete von zunehmenden Belästigungen durch Abtreibungsgegner, die mit Holzkreuzen vor den Gebäuden stehen, wo Schwangerschaftsberatungen angeboten werden. Das sei nicht nur eine hohe Belastung für die betroffenen Frauen, sondern auch für die Mitarbeiterinnen, kritisierte Arthus.