Das bayerische Kabinett hatte beschlossen, dass ab dem 21. Mai Proben bei einer Inzidenz unter 100 wieder möglich sein sollen. Für Innenräume gelte dies für bis zu zehn Musiker, im Freien für bis zu 20 Musiker. Bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 dürften aber nur komplett Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete proben. Der Test darf je nach Testvariante maximal 24 oder 48 Stunden alt sein.
Von den Lockerungen sollen auch kirchliche Ensembles profitieren. Kirchenmusiker im Land bleiben aber skeptisch. Die maximale Gruppengröße sei zu klein, der Aufwand mit Testungen und Abstandsregeln enorm. Eine sinnvolle Probenarbeit sei so nicht machbar. Einzig der Posaunenchor-Verband sieht es anders.
Schutzkonzepte werden ignoriert
Für den Bad Kissinger Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche ist die Sache klar: Für seine Gospelchöre im Norden Unterfrankens sind die angekündigten Lockerungen "völlig uninteressant". Der Mehraufwand sei kaum zu stemmen - zudem sei eine Probenarbeit ohne planbare Konzerte seiner Meinung nach "ziellos". Er kritisiert, dass die Staatsregierung sich starr an Inzidenzwerte klammere und anerkannte Schutzkonzepte oder Aerosol-Studien schlicht ignoriere. Hinzu komme, dass viele Sänger Angst vor möglichen Quarantäne-Anordnungen hätten: "Niemand kann sich leisten, wegen seines Hobbys zwei Wochen im Studium oder Beruf zu fehlen." Er geht davon aus, dass viele Chöre erst einmal wieder Aufbauarbeit leisten müssen, ehe sie auftreten können.
Auch sein Münchner Kollege Andreas Hantke sieht in der angekündigten Lockerung keinen Fortschritt: "Wir durften schon bislang mit acht Personen zur Vorbereitung eines Gottesdienstes proben", sagt der Chorleiter an der Christuskirche München-Neuhausen. Die einzige Verbesserung der Neuregelung bestehe nun darin, dass wieder regelmäßig geprobt werden kann. Die Zehner-Obergrenze kommentiert er so: "Zehn Leute sind kein Chor!" Bei Freiluftproben überanstrengten die Sängerinnen und Sänger wegen fehlender Akustik leicht ihre Stimmen.
Hohe Motivation bei Bläsern
Der Regensburger Kirchenmusikdirektor Roman Emilius sieht ebenfalls keine Verbesserungen durch die Ankündigungen der Staatsregierung. Problematisch seien vor allem die Abstandsregeln, die auch weiterhin gültig seien: Chormitglieder müssten zwei Meter Abstand halten. "Da müsste man schreien, um die letzten in der Reihe noch zu erreichen", sagte der Leiter der Regensburger Kantorei. Dies seien keine optimalen Bedingungen. Deshalb wolle er frühestens nach den Sommerferien wieder mit dem Singen in größeren Gruppen beginnen - in der Hoffnung, dass dann auch Konzerte möglich sind.
Der Verband evangelischer Posaunenchöre wertet die Entwicklung hingegen als einen "ersten wichtigen Schritt". Verbandsgeschäftsführer Oliver Kreitz spricht von einer Perspektive, die Motivation der Bläser in den Posaunenchören sei groß. Viele Musikerinnen und Musiker hätten in der Pandemie gemerkt, "was ihnen fehlt, wenn sie nicht spielen können". Dass die Posaunenchöre nach den vielen Monaten ohne Praxis schräg klingen könnten, befürchtet er nicht: "Viele Chöre waren nicht untätig." Trotzdem werde es natürlich etwas dauern, bis man wieder auf Vor-Corona-Niveau spielen könne.
Bayerns Kunstminister Bernd Sibler (CSU) sprach mit Blick auf die Lockerungen davon, dass man sich "dem Ende der kulturellen Durststrecke" nähere und die "Rückkehr zur Normalität fest im Blick" habe.