Menschenrechtsorganisationen sehen Schieflage bei Pandemie-Bekämpfung

Menschenrechtsorganisationen sehen Schieflage bei Pandemie-Bekämpfung
Durch die Corona-Pandemie seien weltweit die Menschenrechte unter Druck geraten, auch die globale Ungleichheit werde stärker, beklagen Menschenrechtsorganisationen. Sie fordern einen Kompass für künftige Krisen.

Berlin (epd). Menschenrechtsorganisationen kritisieren eine soziale Schieflage bei den staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Diese beträfen einige Gruppen deutlich stärker als andere, erklärten Amnesty International, „Brot für die Welt“, das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz. So seien der Kulturbereich und das Privatleben der Menschen durch die Corona-Maßnahmen massiv eingeschränkt, während Wirtschaft und Arbeitswelt weitgehend unbehelligt blieben, kritisierte Ulf Buermeyer, Vorsitzender und Legal Director der Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Ein demokratischer Staat müsse auch in einer medizinischen Notlage Nachvollziehbarkeit und Verhältnismäßigkeit seiner Maßnahmen sicherstellen, sagte Buermeyer. Er forderte, die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht nur auf ihre epidemiologische Wirksamkeit zu evaluieren, sondern auch auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zu überprüfen

Auch hierzulande mache die Corona-Krise sichtbar, dass viele Menschen gleich von mehreren Benachteiligungen betroffen sind, sagte die stellvertretende Amnesty-Vorsitzende Maria Scharlau. Dazu gehörten Frauen. Oft seien sie durch den Lockdown mehr häuslicher Gewalt ausgesetzt, arbeiteten in systemrelevanten, aber niedrig bezahlten Berufen und trügen die Hauptlasten in den Familien.

Die Corona-Pandemie sei eine Bewährungsprobe für die Menschenrechte - national wie international, erklärten die vier Organisationen. Um künftigen Krisen zu begegnen, sei ein menschenrechtlicher Kompass notwendig. Dazu gehöre, dass sich das menschenrechtliche Engagement der Bundesregierung nicht auf Deutschland beschränken dürfe. Nötig seien zudem globale Solidarität, beispielsweise bei der Verteilung von Medizinprodukten und Impfstoffen, und einheitliche Menschenrechtsstandards entlang der weltweiten Lieferketten.

Das betreffe nicht nur Textilarbeiterinnen in Bangladesch, sondern genauso migrantische Erntehelfer in Deutschland, sagte Miriam Saage-Maaß vom ECCHR. Unternehmen müssten deshalb gesetzlich verpflichtet werden, menschenrechtliche Sorgfalt entlang der gesamten Lieferkette auszuüben.

Auch könne es nicht sein, dass reichere Staaten ihre Impfprogramme erfolgreich durchziehen, während ärmere Länder nahezu leer ausgehen. „Globaler Schutz der Gesundheit muss über den Schutz von Patenten und die Gewinnaussichten von Pharmaunternehmen gestellt werden“, forderte sie.

Die Leiterin des Referats Menschenrechte und Frieden bei „Brot für die Welt“, Silke Pfeiffer, sieht zudem in vielen Ländern die Meinungsfreiheit bedroht. In Ländern wie Brasilien, Kambodscha, den Philippinen oder Simbabwe würden die Regierungen unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung kritische Berichterstattung und zivilgesellschaftliches Engagement unterdrücken und kriminalisieren.