Die Mitteilung verweist auf Rücktritte aus dem Beirat und interne Konflikte zwischen dessen Mitgliedern. Zudem sei in Gesprächen zwischen dem Beauftragtenrat, dem leitende Geistliche und Kirchenjuristen angehören, und dem Betroffenenbeirat kein Konsens über das weitere Vorgehen erzielt worden. "Der Beauftragtenrat hatte eine Weiterarbeit des Gremiums schließlich als nicht möglich angesehen", heißt es in der Mitteilung.
Es sei deutlich geworden, dass die bisher gewählte Form der Beteiligung an Grenzen gestoßen sei, erklärte der Sprecher des Beauftragtenrats, der Braunschweiger Bischof Christoph Meyns. Das sei für alle Beteiligten "äußerst schmerzlich". Die Beteiligung von Betroffenen an der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sei für die evangelische Kirche aber zentral und unverzichtbar, betonte Meyns. Daran solle festgehalten werden.
Betroffene wehren sich gegen Schuldzuweisung
Der Mitteilung zufolge soll die Arbeit des Gremiums extern evaluiert werden. Auf Grundlage der Ergebnisse sollen mit den ursprünglichen Mitgliedern des Beirats neue Formen der Beteiligung diskutiert werden, hieß es. Der Betroffenenbeirat wurde als Gegenüber zum Beauftragtenrat im vergangenen September mit zwölf Mitgliedern berufen. Fünf von ihnen sind bis März zurückgetreten.
"Mit der einseitigen Aussetzung der Betroffenenbeteiligung versucht sich die EKD der Kritik von Betroffenen an ihren unzureichenden Prozessen der Aufarbeitung zu entziehen", heißt es in einer Erklärung von vier Beiratsmitgliedern. Sie wehren sich gegen eine Darstellung, die interne Konflikte als Ursache benennt und damit den Betroffenen selbst eine Schuld am Scheitern des Gremiums gibt. Die Mitglieder seien mehrheitlich für die Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit gewesen. Ein "gangbarer Weg" wäre eine externe Prozesssteuerung gewesen, heißt es in der Mitteilung, die von Katharina Kracht, Detlev Zander, Henning Stein und einem weiteren ehemaligen Beiratsmitglied mit dem Pseudonym NKD unterzeichnet wurde.
Bischof räumt Fehler ein
Grund für das Scheitern und den Rücktritt von Mitgliedern seien vielmehr defizitäre Strukturen, heißt es. Auch die geplante Evaluierung wird von den Betroffenen kritisiert. "Vertrauliche Protokolle würden so gegen den Willen von Betroffenen weitergegeben werden", heißt es in der Mitteilung. Betroffene dürften nicht zum Fokus von Untersuchungen gemacht werden. Man lehne dies "kategorisch" ab. Bereits im März kritisierten im Beirat verbliebene Mitglieder, dass sie nicht ausreichend und rechtzeitig über Sachverhalte informiert und nicht auf Augenhöhe behandelt würden.
Der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh, der auch Mitglied im Beauftragtenrat der EKD ist, sieht Fehler der evangelischen Kirche bei der Betroffenenbeteiligung zur Aufarbeitung von Missbrauch und hält einen Neustart für notwendig. "Die Beteiligung von Betroffenen an der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche halte ich für zentral und unverzichtbar", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Insofern ist es wirklich ein Scheitern und schmerzlich, dass der von uns vorgeschlagene Weg nicht tragfähig war."
Rörig hofft auf Schlichtung
Bei der geplanten externen Evaluation der Arbeit müsse genau hingeschaut werden, wo die Ursachen lagen. In Gesprächen mit ausgeschiedenen und verbliebenen Mitgliedern des Betroffenenbeirats seien schon Faktoren deutlich geworden: "Unklarheiten schon in der Konzeption, mangelnde Begleitung des Prozesses und Unterstützung des Beirates", sagte der Bischof und ging damit auf die von Betroffenen geäußerte Kritik ein. "Wir müssen jetzt in der EKD gemeinsam mit Fachleuten, den Betroffenen und externer Beratung zügig Wege der Betroffenenpartizipation finden, die dann auch nachhaltig gangbar sind."
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hofft, dass die Aussetzung des Betroffenenbeirats zur Begleitung der Missbrauchsaufarbeitung in der evangelischen Kirche noch nicht das letzte Wort ist. "Eine Beendigung - egal ob sie Aussetzung, Auflösung oder Ruhen genannt wird - darf immer nur ultima ratio sein", sagte der Unabhängige Beauftragte dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Meine Hoffnung ist noch nicht gestorben, dass man über eine Schlichtung zu einer Fortsetzung der Arbeit des Betroffenenbeirats kommt", sagte er und ergänzte: "Wenn mit mir das Gespräch gesucht wird, würde ich es auch führen."
Menschen nicht evaluieren
"Es muss klare Regeln geben, was die Pflichten der Institution und die Möglichkeiten der Mitwirkung der Betroffenen sind", sagte Rörig. Eine feste Geschäftsgrundlage sei notwendig, um enttäuschte Erwartungen auf beiden Seiten zu vermeiden. "Das scheint mir einer der Kristallisationspunkte des aktuellen Streits zu sein. Man hätte die gegenseitigen Erwartungen ausführlicher besprechen müssen", sagte Rörig. Dafür müsse man sich Zeit nehmen. "Wir hatten mit unserem Betroffenenrat mehrtägige Klausurtagungen, um eine stabile Basis der Zusammenarbeit zu schaffen", sagte er.
Die von der EKD angekündigte Evaluierung des Betroffenenbeirats sieht Rörig daher auch mit Skepsis. "Ich kann einen Prozess erst dann evaluieren, wenn er eine gewisse Zeit nach festgelegten Kriterien gelaufen ist", sagte er und ergänzte: "Klar ist: Menschen dürfen nicht evaluiert werden."
Rörig verhandelt derzeit noch mit der evangelischen Kirche über eine "Gemeinsame Erklärung" über Standards der Aufarbeitung von Missbrauch nach dem Vorbild einer schon vorhandenen Vereinbarung mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. "Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die EKD selbst zwei Mitglieder des Betroffenenbeirats an den Verhandlungstisch gebracht hat", sagte er. Das sei neu und fortschrittlich gewesen. Er würde es begrüßen, wenn sie weiterhin an den Verhandlungen teilnehmen könnten, sagte er.