Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat vor einer leichtfertigen Verwendung der Kritikbegriffe "Rassismus", "Antijudaismus" und "Islamophobie" gewarnt. "Sie sind eine radikale Verkürzung und Pauschalisierung dessen, was sie eigentlich beschreiben wollen", sagte der Bischof bei der Online-Tagung "Schule trotzt Populismus", zu dem das Religionspädagogische Institut Loccum (RPI) eingeladen hatte. "Mit diesen drei Begriffen können Sie moralisch jede Frau und jeden Mann sofort erledigen", sagte Meister. Pauschal verwendet seien sie einer erwachsenen Debattenkultur kaum förderlich. Zudem ermögliche es keine Kommunikation, wenn man jemanden als rassistisch bezeichne.
Auch in der evangelischen Kirche habe es eine intensive Debatte darüber gegeben, ob man überhaupt mit Populisten sprechen solle. Als Christ sei ihm die elementare Unterscheidung zwischen Sünde und Sünder eine Mahnung, betonte der Bischof. Neben allem Widerspruch müssten daher jene, die Hassbotschaften verbreiteten, als Menschen ernst genommen werden: "Ihre Würde fällt nicht dahin. Ihre Gottebenbildlichkeit ist nicht aufgelöst." Eine solche Haltung mache den Umgang mit diesen Personen nicht einfacher, räumte der Bischof ein, im Gegenteil. Er selbst habe mehrfach vertrauliche Gespräche geführt. Es gebe aber keine Alternative zum Dialog.
Medienkompetenz muss vermittelt werden
Er halte es für keine gute Idee, wenn - auch kirchliche - Gruppierungen, die sich moralisch auf der richtigen Seite fühlten, mit der Parole "Wir sind mehr!" auf die Straße gingen. "Wenn es um Haltung geht, geht es niemals darum, dass man 'mehr' ist", sagte der Bischof. Das sei ein schwaches Argument. Es gehe darum, im jeweils konkreten Fall zu begründen, warum die Würde eines Menschen verletzt wird. "Dafür stehe ich. Und wenn ich der einzige bin, stehe ich da auch."
Die zunehmende sprachliche Verrohung sei eine Folge der digitalen Revolution, die der Bischof in Anlehnung an den Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen als "Medienpubertät" bezeichnete. Nach jeder Medienrevolution gebe es eine Phase der Anarchie, "des unregulierten Umgangs mit den schrecklichen, grenzüberschreitenden Auswirkungen" der flächendeckenden Verfügbarkeit von Internet und Smartphones. "Nachdem der Stammtisch Ausgang hatte, wird er vermutlich niemals wieder ins Reservat der Kneipe zurückkehren", sagte Meister.
Er hoffe daher, dass manche Regeln, die für den Journalismus bislang selbstverständlich waren, "breitenwirksam" als Medienkompetenz gelehrt werden: "Dazu gehören so simple Tatsachen wie: Prüfe erst und publiziere später. Verlass dich nie nur auf eine Quelle. Höre immer auch die andere Seite. Mache Ereignisse nicht größer als sie sind."